Mit dem Herzog von Ratibor Rennen sind wieder einmal alle Grupperennen der Saison entschieden. Wenn man darüber nachdenkt, wie lange man nun warten muss, bis man sich endlich wieder einen Derbyfavoriten aussuchen kann, könnte man schon ein bisschen wehmütig werden. Mit dem Sieg von Wonderful Moon haben wir aber noch mal einen mehr als beeindruckenden und würdigen Kandidaten gesehen, dessen ersten Auftritt im kommenden Jahr wir entgegenfiebern können.
Natürlich sind auch die Rennen auf der Sandbahn spannend und voller Emotionen, aber diese lange Zeit von Weihnachten bis hin zum ersten Renntag der Grünen Saison kommt einem manchmal endlos vor. Umso schöner ist es, dass wir in diesem Jahr bislang einige mitreißende Siege gesehen haben, die es so nicht ständig zu bewundern gibt. Es ist auch selbstverständlich, dass es eigentlich noch etwas früh ist, um einen Jahresrückblick zu wagen, dennoch sind da einige Pferde, an deren Erfolge man denken musste, bei Wonderful Moons Demonstration im letzten Highlight auf Gruppe-Ebene am vergangenen Sonntag.
Manche Geschichten, Menschen und Pferde reißen einen einfach mit, sodass man auf den letzten Metern vor dem Ziel Gänsehaut hat und einem bei der Siegerehrung die Tränen kommen, selbst wenn man nur völlig unbeteiligt zuhause auf dem Sofa dabei gewesen ist. Das ist aber auch, was den Rennsport so besonders macht und von anderen Sportarten unterscheidet, denn als Rennsportfan ist man einfach so nah bei seinen Ikonen, wie es in anderen Sparten völlig unmöglich erscheint. Es gibt außergewöhnliche Geschichten von Underdogs, haushohen Favoriten oder unglaublichen Rekorden und bei allem ist man hautnah dabei. Man fiebert, feiert und freut sich mit den erfolgreichen Trainern, Jockeys, Besitzern und vor allem den Pferden und ein paar davon waren in diesem Jahr ganz besonders außergewöhnlich, ja vielleicht sogar hollywoodreif.
Da wäre vor allem die Geschichte von Mockingjay. Ein „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Märchen, katapultiert in dieses Jahrhundert. So wunderschön, dass man bei dem letzten Sieg des Wallachs mehr als nur eine Packung Taschentücher brauchte. Mockingjay steht im Besitz von Steffi Schröder und wird trainiert von Marco Angermann.
Der fünfjährige Soldier Hollow-Sohn wuchs in dieser Saison über sich hinaus und wenn er im nächsten Jahr das erste Mal an den Ablauf kommt, hätte er einen ganzen Fanclub mehr als verdient. Dabei war Mockingjay in seiner ersten Saison alles andere als ein Tellerwäscher, er lief auch da schon erfolgreich und gewann zwei seiner sieben Starts. Dieses Jahr allerdings gewann er alle seine sechs Rennen. Das ist eine unglaubliche Leistung, denn er steigerte sich von Ausgleich 3 bis hin zum Ausgleich 1-Sieger und viele Rennsportfans fragen sich zurecht, wie gut der Wallach wohl wirklich sein mag. Das besondere an Mockingjay ist aber auch sein Kampfgeist.
Beim letzten Sieg in Hoppegarten ging es mehr als knapp zu, aber er mobilisierte noch mal seine letzten Kräfte und gewann. So kommt er alleine in diesem Jahr bei nur sechs Starts auf eine Gewinnsumme von über 40000 Euro. Das Top Jahres GAG der letzten Saison lag bei 58,5 kg und nun ist Mockingjay bereits bei 79 kg angelangt. Drücken wir diesem unglaublichen Pferd die Daumen, dass es im nächsten Jahr so weitergeht. Man könnte Mockingjay zur Wahl des Galoppers des Jahres aufstellen, so beeindruckt hat er vor allem mit seinem Siegeswillen.
Das Derby ist in jedem Jahr eins der Highlights der Saison. Es schreibt seinen eigenen Geschichten, und das ist jedes Jahr wieder so. Als eingefleischter Rennsportfan weiß man, dass der Favorit fast nie das Derby gewinnt. So wie zum Beispiel seinerzeit Novellist, der sogar als 1,7:1 Favorit gestartet war, aber eben Zweiter hinter Pastorius wurde.
Dieses Jahr gab es wieder so einen ausgemachten Favoriten. Laccario, der Scalo-Sohn, gewann bereits im Vorlauf des Derbys jedes Rennen wie ein Pferd von einem anderen Stern. In Hamburg rückte er als 3,0:1 Favorit in die Startboxen ein und gewann. Bei der Siegerehrung musste man schon die ein oder andere Träne weg blinzeln. Das lag vor allem aber auch daran, dass Eduardo Pedroza, der Jockey von Laccario, endlich zu seinem ersten Derbysieg in Deutschland kam.
Seit 16 Jahren war der Panamaer am Stall von Andreas Wöhler als Stalljockey aktiv und reicht zum Ende dieses Jahrs das Zepter an Bauyrzhan Murzabayev weiter. Nicht nur deshalb war der Sieg von Laccario so emotional, aber es ist ein Teil dieser besonderen Geschichte, denn selten sah man den Besitzer eines Pferdes nach einem Sieg so außer Fassung wie beim Derbysieger 2019. Natürlich ist es für jeden außergewöhnlich, ein Rennen wie das Derby zu gewinnen, aber Manfred Ostermann, der Besitzer Laccarios, schien so gerührt, dass man selbst am Bildschirm zuhause meinte, die Emotionen wären greifbar. Man konnte die Freude aller so sehr teilen, als wäre man selbst in irgendeiner Art und Weise beteiligt gewesen und das macht das Derby 2019 zu einem der emotionalsten Siege überhaupt.
Bauyrzhan Murzabayev ist auch selbst eine der Geschichten, die dieses Turfjahr auszeichnet. Der Jockey gewann in dieser Saison bereits über 100 Rennen. Diese Zahl scheint unvorstellbar, vor allem wenn man sich überlegt, dass alle zweiten und dritten Plätze nicht einmal miteinbezogen sind. Bauyrzhan Murzabayev kommt dabei auf eine Siegquote von über 20 Prozent und wird damit wohl auch der kommende Champion der Reiter werden.
Nachdem Superstar Iquitos Ende letzten Jahres den Stall von Hans Jürgen Gröschel auf der neuen Bult verlassen hatte, um als Deckhengst aufgestellt zu werden, kann wohl kaum jemand nachempfinden, wie sich der Altmeister beim Betrachten der leeren Box seines Pferdes gefühlt haben muss. So viele unglaubliche Siege, Erfahrungen und Reisen hat der Hengst nicht nur Hans Jürgen Gröschel, sondern auch dem ganzen Umfeld geschenkt, man mag sich kaum vorstellen, was Iquitos allen dort bedeutet haben muss. Trainer Hans Jürgen Gröschel wollte schon lange in Rente gehen, aber Iquitos hielt ihn auch davon ab.
Als Itobo dieses Jahr zuerst den Großen Preis der badischen Wirtschaft und dann auch noch in Hoppegarten den Preis der deutschen Einheit nach Zielfoto gewann, müssen die Gefühle alle Beteiligten wohl verrückt gespielt haben. Natürlich lief Itobo auch schon vorher erfolgreich, aber dieses Jahr war er, bereits siebenjährig, noch einmal in Höchstform. Der Wallach gewann zehn seiner 30 Starts und kommt in diesem Jahr sogar auf ein Top Jahres GAG von 96 kg. Nach dem emotionalen Abschied von Iquitos hat der Areion-Sohn Itobo mit Sicherheit einige Tränen getrocknet oder gekostet. Wahrscheinlich eher beides.
Man könnte Bücher füllen mit all den außergewöhnlichen Geschichten, wie sie nur der Rennsport schreiben kann. Man würde noch nicht allen Stars, ob mit zwei oder vier Beinen, gerecht. Diese hier erwähnten Geschehnisse sind nur stellvertretend für so viele andere Ereignisse, wie man sie nur mit Rennpferden erleben darf.
Auch die Siege im Ausland von Waldpfad und Quest the Moon zeichnen dieses Jahr besonders aus. Oder auch Apoleon, der Halbblüter, der durch sein einzigartiges Springvermögen vielleicht im kommenden Jahr in den großen Hindernisrennen in England zum Einsatz kommt.
Der diesjährige Preis der Diana, mit der überraschenden Siegerin Diamanta, war ebenso einzigartig wie der Preis von Baden mit seinem mehr als überlegenen Sieger Ghaiyyath. Nach Ghaiyyath beeindruckt nun Wonderful Moon mit seinem spielend leichten Sieg – zwölf Längen Vorsprung – über die anderen, aktuell wohl besten Zweijährigen und wird zu einem würdigen Derbyfavoriten, der hoffentlich im kommenden Jahr die einzigartigen Rennsportmomente weiterschreiben kann.