Ein Derby-Wochenende in Oranje

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Die Probleme, die der deutsche Fußball aktuell durch den »Fall Özil« zu lösen hat, sind auch dem deutschen Trabrennsport nicht fremd.
Hier heißt die »Causa« Oranje und meint natürlich unsere westlichen Nachbarn. Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, investieren niederländische Züchter, Besitzer und Trainer in Deutschland, kaufen vor allem auf den Jährlingsauktionen hierzulande oder lassen ihre Mutterstuten ins Deutsche Gestütbuch eintragen und stützen damit den Fortbestand des vor allem durch die immer weiter zurückgehende Pferde-Population gebeutelten Sports. Das freut viele, denen es in diesem Land vor allem um das Überleben des Sulkysports geht.
Wenn die Niederländer dann aber mit ihren bestens vorbereiteten Pferden zurück über die Grenze kommen und sich regelmäßig die wenigen lukrativen Rennen des Landes holen, ist die Freude rasch verflogen. Schnell heißt es dann wieder: »Die Holländer holen uns die Rennpreise weg« – was ebenso kurzsichtig wie falsch ist. Längst würden in Deutschland im Westen und Norden überhaupt keine und in Berlin, auch bei einem Ereignis wie der Derby-Woche, deutlich weniger Rennen stattfinden ohne die Vier- und Zweibeiner aus »Oranje«, die sogar noch wegen der deutschen Steuer-Gesetzgebung auf rund ein Viertel der gewonnenen Rennpreise verzichten müssen.
Davon unbeeindruckt, haben niederländische Quartiere bei den Vorläufen zum 30. Arthur Knauer-Rennen (Stuten-Derby) am vergangenen Samstag und zum 123. Deutschen Traber-Derby am Sonntag wieder kräftig abgeräumt. Von den jeweils vier Läufen an beiden Tagen gingen insgesamt sechs an die Trainer Paul Hagoort (3), Dion Tesselaar (2) und Cees Kamminga, lediglich der Bayer Rudi Haller mit Donna Granata bei den Stuten und der deutsche Meister Michael Nimczyk mit Chapter One konnten sich der Übermacht halbwegs entgegen stellen. Kein Wunder also, dass Berlin vor einem »Wochenende in Oranje« steht.

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Samstag
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Sonntag

Am Samstag geht es für das Dutzend qualifizierter Stuten um rund 92.000 Euro. Dabei will der 35-jährige Robin Bakker endlich eine Lücke in seiner Erfolgsbilanz schließen, denn das von einem Berliner Autohaus gesponserte »Blaue Band der Stuten« hat es bislang noch nicht gewinnen können. Läuft alles glatt, dürfte sein Vorhaben gelingen, denn seine Stute Avalon Mists (3) löste ihre Vorlauf-Aufgabe souverän und konnte es sich sogar leisten, als langsamste der vier Siegerinnen Reserven für den Endlauf zu sparen. Dion Tesselaar gelang es, zwei seiner drei Starterinnen als Siegerin zu gewinnen. Er selbst entschied sich für die unerfahrene, aber offenbar beliebig steigerungsfähige Cahaya (5), die ihren ersten Start erst am 8. Juli, also vor genau vier Wochen, absolvierte und sich nach Rang zwei im Buddenbrock-Rennen (hinter Avalon Mists) über 1:14,0 beim überlegenen Vorlauftreffer auf 1:13,4 steigern konnte.

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Stuten-Derby

Trainingsgefährtin Isabella Boshoeve (1) gewann kaum weniger spektakulär, besitzt deutlich mehr Erfahrung und hat mit dem siegreichsten Fahrer Europas, Heinz Wewering (68), den Vorjahressieger im Wagen. Der 29-fache Deutsche Champion war wegen »uralter« Beziehungen zu Besitzer Wiebe Landman die »logische« Fahrerwahl. Rudi Haller (53) wird versuchen, mit der in Berlin bestens zurecht kommenden Donna Granata (2) das Rennen von der Spitze aus zu gewinnen, was angesichts der Vielzahl erstklassiger Gegnerinnen beileibe kein leichtes Unterfangen ist. Die lange als Mitfavoritin geltende Breeders Crown-Siegerin Laura Vici (Michael Nimczyk / 6), im Vorlauf gegen die Bayerin komplett chancenlos, ist plötzlich nur noch Außenseiterin, wird sich aber mit dieser Rolle sicher anfreunden können. Würde eine der anderen sieben Stuten gewinnen, wäre das eine kräftige Überraschung, wenn nicht gar Sensation.
Etwas »breiter« aufgestellt ist die Favoritengruppe bei den Hengsten und Wallachen, die sich am Sonntag um insgesamt rund 216.000 Euro und damit 36.000 Euro weniger als im Vorjahr – auch das ein Nachweis für den geringer gewordenen Pferdbestand – bewerben. Hier kommen neun Gespanne aus holländischen Quartieren und eines aus Frankreich, und nur  Chapter One (Michael Nimczyk / 2), für den Berliner Bahn-Eigentümer Ulrich Mommert und Nimczyks Onkel Hans Brocker antretend, sowie Standbyme (Björn Goop) in den Farben von Marion Jauß sind inländische Ställe dabei.

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Traber-Derby

Der schon eingangs erwähnte Robin Bakker könnte Historisches schaffen, in der Geschichte des Deutschen Traber-Derbys ist es noch keinem Fahrer gelungen, das Blaue Band vier Mal in Folge zu gewinnen. Würde er den Favoriten Mister F Daag (4) um kurz vor 18:00 Uhr tatsächlich als Sieger ins Ziel fahren, wäre das gleichzeitig sein fünfter Treffer insgesamt seit 2013 – auch das ein phantastisches Resultat, das selbst einem Hans Frömming oder Heinz Wewering in dieser Form versagt blieb. Nur Charlie Mills schaffte das bislang in den Jahren 1934 bis 1939, dem nicht weniger legendären Robert Großmann gelangen in den Jahren 1906 bis 1915 sogar sieben Siege (und später noch vier weitere), aber eben keine fünf innerhalb von sechs Jahren.
Möglicherweise kommt sein schärfster Gegner mit Ids Boko (5) aus dem eigenen Stall, der dem holländischen Champion Rick Ebbinge anvertraute Dunkelbraune sorgte gleich zu Beginn der Vorlaufserie für einen regelrechten »Tempo-Knaller«, als er mit 1:12,1 / 1900 Meter einen neuen deutschen Mitteldistanz-Rekord für dreijährige Wallache aufstellte. Der in unmittelbarer Nachbarschaft der Rennbahn im friesischen Wolvega vorbereitete Very Impressive S (3) wäre nach drei Siegen in Folge auf dieser Bahn und permanenter Steigerung in Bezug auf die erzielte Kilometerzeit ein ebenso denkbarer wie würdiger Derby-Sieger. Als Trainer hat Cees Kamminga das Derby schon einmal gewonnen (2004 mit Ambassador As), als Fahrer wäre es für den 53-Jährigen eine Premiere.
Natürlich hat die 123. Entscheidung um das Blaue Band auch ein »dark horse«, angesichts der Qualität der bisher vorgestellten Pferde mag man von einem »Geheim-Favoriten« aber nicht sprechen. Über Velten von Polly (9) hatte sein Trainer Hugo Langeweg jun. im Vorfeld gesagt: »Wäre das Derby im Oktober, würde ich es gewinnen« – und diese vollmundige Behauptung dann in der Qualifikation mit einem derart tollen Schlusseinsatz hinter Mister F Daag untermauert, dass man bald meinen mochte, er habe sich im Datum geirrt.

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