Totgesagte leben länger

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Fun Fact: Alle befragten Tierärzte hatten meinem Duke nach der Kolik-OP (ohne Darm-Resektion) eine Heilungs-Chance von etwa 80 Prozent vorhergesagt. Die Überlebenschancen bei der akuten Lungenentzündung standen deutlich schlechter, doch diese Phase haben wir Gott sei Dank schon lange überstanden.

Alle nicht befragten Banden-Experten, und davon gibt es im Reitsport einige, hatten mir vorhergesagt, dass Duke dauerhaft “platt” sei. Dass ich ihn sicherlich nie wieder reiten könne (was nicht stimmt). Dass ich ihn am besten auf die Koppel stelle (was bei einem frisch operierten Koliker sehr dumm wäre). Oder mein persönlicher Favorit: Ich solle ihn einschläfern, weil die Spätfolgen der Lungenentzündung ggf. seine Einsatzfähigkeit im gehobenen Amateur-Vielseitigkeitssport einschränken.

Öhm …

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Duke
Duke

Die erste Springstunde

Die Bauchdecke ist nach der Operation schon längst wieder verheilt: 8 Wochen Stehpause und 8 Wochen auftrainieren war die Faustformel der Tierärzte, ehe ein Pferd wieder gesund und voll einsatzfähig ist. Seither baue ich mit einem Wechsel aus Bodenarbeit, Dressur, Stangen und Cavalettis gezielt weiter Muskulatur auf und galoppiere immer längere und schnellere Passagen, um die Lunge wieder bestmöglich aufzubauen.

Ex-Galopper Duke (5 Jahre) zur Springstunde bei Denis Nielsen

Jeden Mittwoch findet auf der Olympia Reitanlage eine Springstunde statt: Zuständiger Trainer ist Denis Nielsen, der Deutscher Meister von 2015. Da das Niveau der teilnehmenden Reiter von A bis S geht (Erklärung: s.u.), wollte ich meinen schlacksigen Reha-Patienten ordentlich fit haben, ehe ich Duke dieser illustren Runde vorstellen. Springreiter mögen Pferde, die aus der Kraft heraus aufwändig und spektakulär springen; die tendenziell schnell und effizient springenden Vollblüter genießen in diesen Kreisen nicht den besten Ruf.

Gemütlich unterwegs
Gemütlich unterwegs

Doch Duke ist eben kein klassisches, effizientes Rennpferd. Schon in der Aufwärmphase lobte der neue Trainer Dukes aufwändige Bewegungen: Für den Rennsport ziemlich ungeeignet, aber für ein Reitpferd perfekt! “So wie er trabt und galoppiert: Den mag man leiden!” Zum ersten Sprung marschierte Duke völlig lässig und selbstverständlich: Als hätten wir seit Monaten nichts anderes gemacht. Rhythmisch, ruhig, konzentriert, motiviert. Ich musste mich manches Mal beherrschen, um nicht vor Glück loszuheulen. Er gab mir ein so unbeschreiblich gutes und sicheres Gefühl. Sogar besser, als vor der Operation. Ruhiger und stabiler.

Die ersten Sprünge kamen und gingen völlig mühelos. Zu einem Oxer habe ich die Distanz verpatzt und die Stange fiel (in der Prüfung bedeutet ein Abwurf = 4 Strafpunkte); ansonsten kamen wir stets passend und Big Red zog jedes Mal vorsichtig die Füße an, um ja keine Stange zu berühren. Perfekt! Natürlich ritt ich noch keine volle Springstunde mit, sondern hörte nach der ersten Hälfte auf.

Besonders freute mich, dass er während der Stunde nie in Atemnot geriet und das Training ohne ein einziges nasses Haar verließ.

Es geht vielseitig weiter: Dressur mit Chris Döbler

Der neue Sattelgurt soll möglichst wenig einengen
Der neue Sattelgurt soll möglichst wenig einengen

Auch in Sachen Dressur-Trainer heißt es auf der Olympia Reitanlage in München “Klotzen statt kleckern” und das ist mir recht. Ich habe für Reitsport-Verhältnisse ungewöhnliche Pferde: da lerne ich am liebsten bei Trainern mit viel Erfahrung. Es müssen allerdings auch Trainer sein, die Freude an der Ausbildung und am Formen von Pferden haben. Leider gibt es viele Vertreter, die nur unkomplizierte Erfolgsgaranten nehmen: Draufsetzen, losreiten und gut aussehen. Kann man machen, wenn man Wert auf schnelle Turniererfolge legt. Mit reeller Jungpferde-Ausbildung hat das wenig zu tun. Tendenziell sind Vollblüter vor allem bei den ambitionierten Dressurtrainern und -Bereitern wenig beliebt: Ihre meist sehr flachen Bewegungen sowie ihre Aversion gegen einen harten Reiter und zu viel Druck verheißen viel Arbeit und wenig Ruhm.

Freitagvormittag habe ich Duke und mich zur Dressurstunde bei Christian Döbler angemeldet: wir sind sozusagen das einzige Ausgleich-4-Pferd an einem Trainingstag voller Gruppe 2 bis 3 Dresssurreiter. Christian Döbler ist ein Schüler von Klaus Krzisch, dem renommierten ehemaligen 1. Oberbereiter der Spanischen Hofreitschule. Das bedeutet, Döbler wurde nach der klassischen Lehre in der reellen und wirklich schönen Form der Dressur ausgebildet. Kein überspannter, hektischer Zirkus im Viereck, sondern reelle Gymnastik bis hin zum perfekten Tanz von Reiter und Pferd. Dieses Wissen um die klassische Dressur gibt Döbler europaweit an internationale Profi-Reiter weiter, doch ebenso an reine Freizeitreiter. Und ab Morgen auch an ein Rennpferd in Rente.

Mal schauen, ob die neuen Corona-Verordnungen kommende Woche eine Wiederholung zulassen …

Herbstausritt
Herbstausritt

Klassen und Anforderungen im Springsport*

A*-Springen
Sprunghöhe: 0,95 m
Mindestanzahl der Hindernisse: in der Halle= 6, im Freien= 7
Maximal 2 zweifache Kombinationen

A**-Springen
Sprunghöhe: 1,05 m
Mindestanzahl der Hindernisse: in der Halle= 6, im Freien= 7
Maximal 2 zweifache Kombinationen (= 1 bis 2 Galoppsprünge zwischen 2 Hindernissen)
Wassergrabenweite: 2,50 m

L-Springen
Sprunghöhe: 1,15 m
Mindestanzahl der Hindernisse: in der Halle= 7, im Freien= 8
Maximal 2 zweifache und 1 dreifache Kombination
Wassergrabenweite: 3,00 m

M*-Springen
Sprunghöhe: 1,25 m
Mindestanzahl der Hindernisse: in der Halle= 8, im Freien= 9
Maximal 2 zweifache und 1 dreifache Kombination
Wassergrabenweite: 3,50 m

M**-Springen
Sprunghöhe: 1,35 m
Mindestanzahl der Hindernisse: in der Halle= 9, im Freien= 10
Maximale Anzahl an Kombinationen: frei
Wassergrabenweite: 4 m

S*-Springen
Sprunghöhe: 1,40 m
Mindestanzahl der Hindernisse: in der Halle= 9, im Freien= 10
Maximale Anzahl an Kombinationen: frei
Wassergrabenweite: 4,10 m

S**-Springen
Sprunghöhe: 1,45 m
Mindestanzahl der Hindernisse: in der Halle= 9, im Freien= 10
Maximale Anzahl an Kombinationen: frei
Wassergrabenweite: 4,30 m

S***-Springen
Sprunghöhe: 1,50 m
Mindestanzahl der Hindernisse: in der Halle= 10, im Freien= 11
Maximale Anzahl an Kombinationen: frei
Wassergrabenweite: 4,50 m

S****-Springen
Sprunghöhe: 1,55 m
Mindestanzahl der Hindernisse: in der Halle= 10, im Freien= 11
Maximale Anzahl an Kombinationen: frei
Wassergrabenweite: 4,50 m

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*Quelle: http://www.springreiter.de/

Janina Beckmann
Janina Beckmannhttps://www.expertenmarketing-muenchen.de/
Unsere Autorin Janina Beckmann war lange Jahre als Sportjournalistin und später als PR Beraterin tätig, ehe sie eine eigene PR Agentur in München gründete. Ihre Leidenschaft für Vollblutpferde führte sie über die englischen und irischen Rennbahnen auf die Galopprennbahn Riem. Heute ist sie in der Vielseitigkeit aktiv.

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