Wir gehen heute weit in der Zeit zurück und zu den Anfängen des australischen Rennsports, der bereits einiges auf die Beine gestellt hatte, als Briseis zur Welt kam. Die braune Stute von Tim Whiffler (GB) aus der Musidora von The Premier (GB) war eine Schönheit, von der man sich viel versprach. Die Mutter, Musidora, gewann die VRC Sires Produce Stakes, die VRC Queens Plate, sowie weitere kleinere Rennen. Sie war auch die Mutter von sechs Siegern, darunter Miss Jessie, 1868 (gewann das VRC Victoria Derby) und Sea Spray, 1870 (gewann die VRC St Leger Stakes und die South Australian St Leger Stakes). Briseis gehörte zu einer alten Kolonialfamilie, C5, die nicht in das Allgemeine Zuchtbuch aufgenommen wurde, aber im Australischen Zuchtbuch enthalten ist. Ihr Besitzer, James Wilson, zog sie in seinem Gestüt St Albans in der Nähe von Geelong in Victoria. Auch zeichnete er sich als Trainer verantwortlich.
Als Zweijährige erreichte Briseis bei fünf Starts drei kleinere Platzierungen. Sie trug dabei ein heute undenkbares Gewicht von 35 kg (5 stone 7 lbs.) und startete als 4/1-Favoritin in das AJC Doncaster Handicap in Randwick. Aufgrund des ihr zugewiesenen geringen Gewichts wurde sie von dem 12-jährigen Peter St. Albans zum Sieg geritten. Bei ihren nächsten beiden Starts gewann sie ein Flying Handicap und die AJC All Aged Stakes im Alter von drei Jahren. Damals war es nicht unüblich, dass Minderjährige ritten, denn nur so konnten die Gewichte überhaupt erreicht werden.
Als Dreijährige lief Briseis beim VRC-Frühjahrskarneval 1876 an allen vier Tagen – heutzutage undenkbar, doch früher hielt man das für absolut normal. Sie gewann das VRC-Derby am Samstag (mit drei Längen und einer Verbesserung des Rennrekords um 1+3⁄4 Sekunden), den Melbourne Cup (wiederum geritten von Peter St Albans) mit zwei Längen in Rekordzeit von 33 Startern am Dienstag und die VRC Oaks am Donnerstag, wobei sie einen Rekord aufstellte, der heutzutage nicht mehr erreicht werden kann. Kein Mensch würde seinem Pferd solche Strapazen zumuten. Am Samstag wurde Briseis Zweite in den VRC Mares‘ Produce Stakes. Ihre wichtigsten Siege waren das AJC Doncaster Handicap, die AJC All Aged Stakes, das VRC Derby, der Melbourne Cup und die VRC Oaks, alle im Alter von zwei und drei Jahren.
Im Herbst 1877 bestritt sie vier Rennen, bevor James Wilson sie 1879 ins Gestüt holte. Man erwartete großes von dieser zähen Stute und Briseis sollte von King of the Ring gedeckt werden. Vor dem Deckakt band man ihr die Hinterbeine zusammen, um zu vermeiden, dass der Hengst getreten wurde, doch Briseis erschrack und bäumte sich auf. Sie fiel rückwärts, wobei sie sich den Schädel brach. Ihr Tod war ein schwerer Verlust für die australische Zucht. Briseis mag nicht so populär sein, wie Phar Lap und co, aber ihre Leistungen stehen in einer Reihe mit den vielgerühmten Größen des australischen Turfs.
Nach ihrem Tod erfuhr Briseis viel Ehre, auch ein wenig seltsam anmutende Dinge, die nach ihr benannt wurden. Wie zum Beispiel die Briseis-Zinnmine, welche in den späten 1890er Jahren zu einer der reichsten Minen der südlichen Hemisphäre wurde. Jedes Jahr findet beim Melbourne Cup ein Rennen statt, das ihren Namen trägt. Der Briseis Gold Cup in Geelong ist ebenfalls nach ihr benannt. Der Geelong Racing Club hat das hochmoderne Briseis Function Centre nach ihr getauft.