Alle Jahre wieder wird im Herbst in den Rennställen aussortiert: Junge Pferde von den Auktionen rücken ein und “alte” bzw. wenig erfolgreiche Vollblüter sollen sich neuen Aufgaben im Reit- oder Freizeitsport widmen. Und alle Jahre wieder stehen mir die Haare zu Berge, wenn ich die “Verkaufsanzeigen” im Internet sehe.
Der Rennsport ist pragmatischer als der Reitsport, keine Frage. Rennpferde werden nicht wegen ihrer hübschen Farbe angeschafft (Silvery Moon vielleicht ausgenommen), können nicht ihren Namen tanzen und besitzen auch kein farblich abgestimmtes Outfit der neuesten Eskadron Kollektion (kein Scherz, liebe Rennsportler: sowas ist in viel zu vielen Reitställen von entscheidender Bedeutung). Ein Rennpferd kauft man nach Abstammung und Rennleistung.
Beim Thema “Rente” treffen die Zahlen- und Fakten-basierten Rennsportler dann auf die schöngeistigen Freizeitreiter. Und wollen ihre (oftmals) geliebten Vollblüter per Anzeige in einen guten Lebensplatz vermitteln. Ein Foto vom letzten Renntag hat man ja. Ist zwar verwackelt und bei Regen ist das Pferd nur bedingt gut zu erkennen. Doch ein Schnappschuss der Papiere zeigt, welches Goldstück man hier anbietet. Und wenn man den Preis nur niedrig genug ansetzt, findet man sicherlich ein nettes Mädchen, dass den Blüter lebenslänglich nach Strich und Faden verwöhnt.
Sie würden staunen, wie viele solcher Anzeigen ich über die Jahre und selbst in den letzten Wochen gesehen habe (zum Glück werden es weniger). Unbeholfene Versuche, einen Hochleistungssportler in beste Hände zu vermitteln. Ein Bild, auf dem man das Pferd nur erahnen kann. Und eine Vermittlungsgebühr, die bei teils nur 10 Prozent eines gleichwertigen Warmblüters liegt. “Ich will doch nur, dass er/sie in gute Hände kommt.” Gut gemeint. Schlecht gemacht.
Letztendlich hat das jahrelange Verramschen von Ex-Galoppern in Deutschland nur dem Ruf des Englischen Vollbluts geschadet. Denn schöne junge Pferde für kleines Geld locken genau solche Käufer an, die beim besten Willen keinen empfindlichen Vollblüter im Stall haben sollten. Wenn die Situation eskaliert (weil die Haltung oder auch das reiterliche Können nicht passt), war’s am Ende das Rennpferd schuld.
Die Reiterkollegen am Stall können das Drama live oder in den Sozialen Medien verfolgen. Schlecht fürs Pferd. Schlecht für die Besitzerin. Und wieder ein paar Leute, die von den ach so schwierigen ExGaloppern gehört haben und sich “so etwas” ganz sicher niemals in den Stall stellen. Eine Katastrophe, die sich von Jahr zu Jahr weiter hochschaukelt. Und letztendlich nicht nur dem Ruf des Vollbluts, sondern auch dem dahinterstehenden Sport schadet.
Ex-Galopper vernünftig vermitteln: Wer ist verantwortlich?
Dass nicht alle Rennställe viel Herzblut in die Vermittlung ihrer Rentner stecken, finde ich verständlich. Auch Trainern fehlt oftmals das Gespür, wie man die Friede-Freude-Ponyhof-Fraktion von den Vorzügen eines guten Vollblüters überzeugt. Oder gar, welche Kaufargumente für andere Reitsportdisziplinen entscheidend sind. Denn die Einsatzmöglichkeiten für ein pensioniertes Rennpferd sind kaum begrenzt. Und jede Disziplin legt auf andere Stärken des Pferdes Wert (schnelle Reaktionen, gute Bewegungen, Mut, Gelassenheit …). Großen Ställen fehlt erschwerend auch die Zeit für eine ordentliche Verkaufsanzeige. Und bei kleinen Rennställen bedeutet jeder erfolgreich vermittelte Rentner eine leere Box (die im Rennstall bis zu 1.500€ pro Monat kostet).
Zum Glück gibt es inzwischen einige Vermittlungsstationen, die den Rennställen/Besitzern unter die Arme greifen: Wie Liberty’s Home, über die ich meinen Duke gefunden habe. Einige Private Kämpfer, die sich an dieser Front engagieren. Und die schöne Serie “Next Chances around the world”, in der das German Racing Projekt “Next Chance” über erfolgreich vermittelte Ex-Galopper in ihrem neuen Einsatzgebiet berichtet.
Crashkurs: Eine aussagekräftige Verkaufsanzeige
Eine überzeugende Verkaufsanzeige ist kein Hexenwerk: Man braucht mindestens ein schönes Bild und ein paar exakte Rahmendaten. Soll das Pferd in den Freizeitsport vermittelt werden, sind vor allem hübsche Bilder entscheidend. Hobby- und Profisportler (zum Beispiel Dressur oder Vielseitigkeit) wollen Videos, in denen sie die Bewegungsabläufe des Pferdes sehen können.
Pflicht: Man braucht mindestens ein helles und scharfes Foto, auf dem das Pferd am Stück zu erkennen ist. Ideal wäre eine Seitenaufnahme eines sauberen Pferdes auf ebenem Boden.
Kür: Das absolute Sahnehäubchen wäre ein Video, auf dem das Pferd im Schritt und Trab von der Seite erkennbar ist (an der Hand, unterm Reiter, frei in der Halle oder notfalls auf der Koppel). Schöne (!!!) Trainings- oder Rennbilder dürfen natürlich gezeigt werden.
Pflicht: In die Anzeige gehören Alter, genaues Stockmaß (Tipp: große Vollblüter sind besonders gefragt), Gesundheitszustand, eine ehrliche Einschätzung der Manieren (Brav oder nur für erfahrene Reiter?) sowie ggf. zu Unarten (mir völlig unverständlich, doch es gibt tatsächlich Reitställe, die keine Kopper aufnehmen).
Kür: Im Reitsport ist es inzwischen üblich, dass Pferde mit TÜV (=Ankaufsuntersuchung) verkauft werden. Also zertifiziert gesund. Wer kein fertig getüvtes Pferd verkaufen möchte (Kosten zwischen 100 und 1.000€), sollte die Option eines TÜVs in der Anzeige wenigstens anbieten. Um möglichen Interessenten zu signalisieren, dass man ein gesundes Pferd anbietet.
Bei Rückfragen zur Anzeigengestaltung kann man mich auch gerne über Facebook oder Instagram anfunken. Ich bin die mit dem roten Reitelefant: “Ein Rennpferd geht in Rente”.