Der Galopprennsport schreibt viele ungewöhnliche Geschichten. Das war schon immer so, bei einem derart traditionsreichen Sport kann diese Einschätzung nicht verwundern. In Erinnerung bleiben häufig Kuriositäten und in der Zeit des Internets gibt es eine ganze Reihe, über die berichtet werden kann. Dass Jockeys während eines Rennens beispielsweise die Pferde tauschen, dürfte kaum jemand glauben. Der berühmteste Fall nennt sich Great Jockey Swap 1996 und fand in Australien statt. Dort gehört er zur Rennsport Folklore, von der jeder Anhänger dieses Sports zumindest einmal gehört hat. Nicht so lange her ist ein Vorfall aus den USA, bei dem ein Reiter sich die Peitsche eines Gegners geschnappt hat, um zum Sieg zu kommen. Letztlich reichte es nur zu Rang 3. Der Jockey hatte seine eigene Reithilfe verloren.
Nichts ist unmöglich
Wir nehmen in diesem Artikel unter die Lupe, wie solch Vorfälle überhaupt möglich sein können. Zuerst einmal muss man sich natürlich bewusst machen, dass die Reiter in einem Rennen nicht nur Konkurrenten, sondern auch Partner sind – und manche mehr als andere. Solch ein Rennen stellt die Teilnehmer vor größere Herausforderungen. Mehrere Pferde galoppieren eng beieinander und dies in einer nicht geringen Geschwindigkeit. Ein Pferd kann stolpern und die Konkurrenz behindern. Es kann ausbrechen und für Gefahr sorgen. Es kann aber auch der Sattel rutschen. Und wie bei einem Dominostein ergibt sich eine Situation, die im Vorfeld nicht geplant werden kann. Ignorieren wir mal die Tatsache, dass vielleicht der ein oder andere Stuntman beim Film koordinieren könnte, dass Pferde im höchsten Galopp ihre Reiter tauschen.
The Great Jockey Swap am Boxing Day im Jahr 1996
Am zweiten Weihnachtstag des Jahres 1996 kamen sich bei einem Rennen in Caulfield (Australien) zwei Pferde in die Quere. Passenderweise waren die Reiter verschwägert. Es handelte sich um Jason Patton auf Cogitate und um den 17-jährigen Lehrling Andrew Payne auf Hon Kwok. Der Vorfall passierte eingangs der Geraden. Cogitate stolperte, Patton verlor das Gleichgewicht und fiel schließlich aus dem Sattel. Payne wurde in einer Kettenreaktion ebenfalls von seinem Pferd geworfen, landete jedoch aus reinem Glück direkt auf Cogitate. Und ritt mit ihm weiter bis ins Ziel. Es war ein Ereignis, das so unmöglich war, dass man es absolut nicht planen konnte. Und man würde es vermutlich nicht einmal als bester Stuntkoordinator der Welt nachstellen können.
Der Zufall ritt mit. Amüsant in diesem Zusammenhang: Cogiate war ein riesiger Außenseiter und lief nach vorne. „Meine Hände landeten auf dem anderen Sattel und ich zog mich einfach hoch“, wurde Payne später zitiert. „Als ich aufsah und sah, wo ich war, konnte ich es nicht glauben.“ Der Mann seiner Schwester erlitt bei seinem Sturz zum Glück keine ernsthaften Verletzungen. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass der damals junge Reiter eine Schwester hat, die ebenfalls Geschichte schrieb. Es handelt sich um Michelle Payne, die den Melbourne Cup des Jahres 2015 gewann. Und sie gewann auch die 2016er Austragung der Christmas Stakes an Bord von Lucky Liberty. Und somit das Rennen, das noch immer wegen des „Great Jockey Swap“ in aller Munde ist. Jedenfalls in Australien.
Ungewöhnliche und ungeplante Kunststücke
Mit der Geschichte aus dem vorherigen Abschnitt lässt sich schwer konkurrieren, doch auch andere ungeplante und unfreiwillige reiterliche Kunststücke sind in der Erinnerung geblieben und können größtenteils dank des Internet noch immer angeschaut werden. Ein gutes Beispiel stammt vom anderen Ende der Welt. Jockey Aaron Kuru und sein Pferd Des De Jeu erholten sich von einem fast katastrophalen Sprung während eines Hindernisrennens im Awapuni Racing Center in North Palmerstown, Neuseeland, auf ungewöhnliche Art. Das Pferd fiel, schlidderte einige Meter auf dem Gras, der Jockey hielt es weiterhin am Zügel. Spontan sprang er in den Sattel, das Pferd stand auf und galoppierte weiter, weit hinter den Gegnern. Und gewann am Ende sogar. Das war fraglos der hauptsächliche Grund dafür, dass man über diesen Vorfall noch immer lesen kann.
Der Vorfall mit der Peitsche
Manchmal stehen nicht die Pferde, sondern die Reiter bei ungewöhnlichen Vorfällen im Mittelpunkt. Ein Jockey in den USA gab einem rivalisierenden Kollege seine Peitsche, als das Feld bei einem Rennen in Golden Gate Fields Ende 2019 in die Zielgerade kam. Es war der Tag, an dem das California Horse Racing Board bekannt gab, dass es Peitschenbeschränkungen einführt. Jockey Silvio Amador lieh Julien Couton einfach seine Reithilfe und brachte die neue Regeln vermutlich ungeplant größer in die Schlagzeilen. Couton hatte seine Peitsche früh im Rennen verloren und als Amadors Ritt Belle Magie schwächer wurde, bat der Reiter seinen Kollegen um Hilfe. Amador übergab seine Peitsche und das Pferd Olive You More schoss weiter und schnappte sich den dritten Platz.
So ein Tausch entspricht vermutlich nicht den Regularien, aber es liegen keine Informationen über eine spätere Disqualifikation vor. Das könnte daran liegen, dass die Peitsche freiwillig übergeben worden war. In der Vergangenheit, als die Kameras die Rennen noch nicht so intensiv wie heute begleiteten, sind der Legende nach Peitschen auch schonmal geklaut oder dem Gegner aus der Hand geschlagen worden. Oder Reiter hielten sich an der Satteldecke des Konkurrenten fest. Diese und weitere nicht dem Fair Play entsprechende Tricks konnten früher unentdeckt bleiben.