Insider-Talk mit Daniela Starck: „Entscheidungen mit Verantwortung treffen“

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Die Turf-Schiedsrichter zählen zu den wichtigsten Funktionären auf den deutschen Galopprennbahnen. Auch Daniela Starck gehört seit einiger Reit der Rennleitung hierzulande an, ist dem Rennsport aber schon lange verbunden. Exklusiv im Insider-Talk auf dem RaceBets-Blog berichtet sie darüber.

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Vor einigen Jahren hat sich die Rennleitung in Deutschland deutlich verjüngt. Wie kamen Sie persönlich auf die Idee, in dieser Funktion tätig zu werden?

Daniela Starck: Ich bin seit Kindheit dem Rennsport verbunden, habe mir als Jugendliche mein Taschengeld mit Reisenfahren und Führen verdient, neben dem Studium für diverse Trainer gearbeitet, die Besitzertrainer-Prüfung und später die Public-Trainer – Prüfung abgelegt.

Die Rennleitungstätigkeit hat mich schon viele Jahre vorher sehr interessiert und war für mich die logische Konsequenz. Entscheidungen mit Verantwortung für unseren Sport treffen. Das wollte ich!

Daniela Starck mit Prime Aspiration am 28.04.2010

„Großartige Stütze in der schwierigsten Phase meines Lebens“

Wie und von wem wurden Sie auf Ihre Aufgaben eingearbeitet? Und welche Qualifikation mussten Sie mitbringen?

Daniela Starck: Als Rennleitungsanwärterin durchlief ich dank des Verbandes deutschlandweit eine Hospitationszeit auf nahezu allen Bahnen unserer Republik und lernte so auch glücklicherweise alle Teams nicht nur kennen, sondern auch sehr zu schätzen. Es war eine aufregende Zeit, die sehr schöne Eindrücke hinterlassen hat.

Federführend in dieser Zeit und darüber hinaus ist selbstverständlich das NRW-Team, allen voran Dr. Philipp Biermann zu nennen, die den größten Anteil an meinem positiven Abschneiden hatten und die auch in der schwierigsten Phase meines bisherigen Lebens menschlich eine großartige Stütze waren.

Neben meinen persönlichen Voraussetzungen und meiner Affinität zum Rennsport bin ich zweifache Pferdewirtschaftsmeisterin, Gutachterin und Ausschussvorsitzende der Pferdebetriebe im Kreis Euskirchen. Ehrenamtlich war ich für einige Projekte für Deutscher Galopp im Einsatz, sei es auf Messeständen der Equitana und dem CHIO Aachen oder für den Amateurverband in der Ausbildung der jungen Nachwuchskräfte aktiv.

Jede Menge Aufgaben am Renntag

Auf welchen Rennbahnen sind Sie im Einsatz? Und wie sieht ein normaler „Arbeitstag“ für Sie aus?

Daniela Starck: Grundsätzlich bin ich momentan auf allen Rennbahnen in NRW tätig. Der eigentliche Arbeitstag beginnt meist Tage vorher mit der nicht unwesentlichen Vorbereitung, dem Studium aller startenden Pferde und deren Formen für den jeweiligen Renntag, wobei wir generell alle Startpferde permanent über das Jahr hinweg beobachten.

Am Renntag selbst findet sich die Rennleitung lange vor dem ersten Rennen ein und bespricht den gesamten Renntag und trifft entsprechende Entscheidungen für eine erfolgreiche Durchführung.

Das Aufgabenspektrum der Rennleitung ist äußerst umfangreich, und um es hier auf die wichtigsten Punkte zu begrenzen, sind die Kollegen und ich für die ordentliche Umsetzung der Durchführung der Leistungsprüfungen zuständig. Wir überwachen, kontrollieren, weisen an, werten aus und entscheiden. Grundsätzlich liegt die ordnungsgemäße Durchführung des gesamten Rennbetriebes in der Verantwortung eines jeden einzelnen Mitgliedes der Rennleitungen.

„Wir unterliegen unserem Gewissen und der Rennordnung“

Wie ist die Zusammenarbeit mit Rennleitungs-Chef Dr. Philipp Biermann? Und was schätzen Sie an ihm? Welche Rechte und Pflichten haben Sie an einem Renntag?

Daniela Starck: Die Zusammenarbeit ist in erster Linie auf Augenhöhe. Auch bei kontroversen Ansichten wird sachlich diskutiert und jeder Einwand ernst genommen. Ich schätze neben seiner Fachkompetenz, seine souveräne und ruhige Art, vor allem aber in schwierigen Situationen bewahrt er einen kühlen Kopf und ist dennoch ein echter Teamplayer.

Wir Mitglieder der Rennleitung unterliegen ausschließlich unserem Gewissen und der Rennordnung, wobei wir uns konkret um die Einhaltung der Vorschriften der Rennordnung, insbesondere aber die zur Durchführung der Rennen, kümmern.

Welche Renntage waren bisher für Sie die Highlights? Und waren Sie bereits an Disqualifikationen beteiligt?

Daniela Starck: Jeder Renntag, an dem wir großartigen Sport genießen durften und kaum Handlungsbedarf sahen bzw. unser Reglement nicht anwenden mussten, ist für mich persönlich ein Highlight. An Renntagen mit Disqualifikationen war ich bisher nicht im Einsatz.

Wie gehen Sie mit Kritik an Entscheidungen um, wenn gerade auf Social Media viel diskutiert wird?

Daniela Starck: Die Antwort auf diese Frage kann man auf die Essenz begrenzen. Wir entscheiden in erster Linie und ausschließlich anhand unserer Regularien, der Rennordnung. Wir entscheiden nach bestem Gewissen und paritätisch. Wir hören die Beteiligten und entscheiden aufgrund der Sachlage. Kritik liegt generell in vielen Entscheidungen in der Natur der Sache, mit der ich persönlich in der Regel gelassen umgehe. Meist geht es weniger um Sachfragen, vielmehr ob diese Diskussionen auf Augenhöhe stattfinden und mit Respekt miteinander umgegangen wird.

Daniela Starck mit Viper am 28.04.2010

Social Media ist ein Tool, mit dem sich Kritiker durchaus kurzzeitig Gehör verschaffen können, ein Ventil, welches eventuell auch als positiv für jene anzusehen ist. Für mich sind diese Plattformen die falsche Lösung, und ich fühle mich konsequenterweise durch diese auch nicht angesprochen, da der Kritik häufig nicht die notwendigen Informationen zu Grunde liegen.

Vielmehr stellt sich doch oft die Problematik, dass Entscheidungen nicht verstanden werden, da sie nicht stärker erklärt und kommuniziert werden. Daher gibt es beispielsweise die Idee eines Steward`s Reports. Mit Hilfe dieses Berichts nach jedem Renntag könnte man die Transparenz unserer Arbeit und unserer Entscheidungen verbessern.

„Es war mein Leben“


Sie haben früher eine Reitanlage mit Pferdetherapie betrieben. Was waren die Gründe, dass es nicht weiterging? Und welche Erfahrungen und Erlebnisse aus dieser Zeit möchten Sie nicht missen?

Daniela Starck: Der Grund war, dass unser stark von der Flut geschädigter Betrieb von mir nicht gegen den Willen des Verpächters wieder aufgebaut werden konnte. Wir hatten nach der Katastrophe wirklich Großes vor, nach dem Motto: Jetzt erst recht. Stattdessen hatte ich drei Monate Zeit einen zwölf Jahre erfolgreichen, knapp 100 Pferde starken Betrieb komplett abzuwickeln und meine Existenzgrundlage dahingehend zu beenden.

Das Schlimmste daran war, dass alle Besitzer, die teils selbst auch von der Flut stark betroffen waren, plötzlich neben Ihrem Haus auch noch das Pferde-Zuhause verloren haben. Die Flut haben wir überstanden und dabei sehr viel Solidarität auch teilweise völlig fremder Menschen erfahren dürfen. In solch einer Ausnahmesituation dann letztendlich doch alles zu verlieren, ist nicht in Worte zu fassen.

Es gab so viele wunderschöne Momente in all den Jahren! Rückblickend betrachtet, kann ich erkennen, dass auf der Anlage das Tierwohl in der täglichen Arbeit immer an erster Stelle stand. Es machte mich glücklich zu sehen, wie die Pferde bei uns aufblühten und sich wohl fühlten. Wie Rennpferde, die nach unserer Reha im Aquatrainer wieder Große Preise gewonnen haben, Preschooler, die erfolgreiche Rennpferde wurden, viele schöne Vermittlungen unserer Athleten in beste Hände.

Das Zusammenleben unterschiedlichster Rassen in Herden und das Vereinen aller möglichen Reitdisziplinen auf einer Anlage machte die STARCK Reitanlage & Pferdetherapie zu etwas ganz Besonderem! Von der Gründung des Polo Club Cologne bis hin zu diversen TV-Produktionen und Seminarreihen. Es war nicht nur ein Betrieb, es war mein Leben. (www.starck-racing.de)

Die Pferde und Jockeys im Rennen am 11.06.2023 in Köln

Was macht für Sie persönlich die Faszination Rennsport und Rennpferde aus?

Daniela Starck: Es ist ein Lebensgefühl, es ist die Liebe zum Tier, es ist die harte Arbeit, das Mitfiebern mit seinen Schützlingen und die Angst, dass es ihnen nicht gut geht. Der gemeinsame Erfolg im Team, egal ob Besitzer, Trainer, Reiter oder Pfleger: Uns alle vereint dieses Gefühl.

Wir Menschen haben das Vollblut zu dem gemacht, was es ist: ein Sportpartner, ein Leistungsträger aber auch Familienmitglied und toller Freizeitpartner. Wer einmal einen Vollblüter betreut hat oder sein Eigen nennen durfte, will meist nichts anderes mehr.

Wenn wir richtig informiert sind, arbeiten Sie inzwischen hauptberuflich in der Immobilienbranche. Können Sie uns das genauer erläutern?

Daniela Starck: Im Zuge meiner Betriebsabwicklung war ich vorerst auf der Suche nach einer alternativen Anlage, und so fand ich in Lohmar eine, die zum Verkauf stand. Die Gespräche liefen dort aber so gut, dass ich kurzerhand beschloss, hauptberuflich umzusatteln. Ich habe dann 3 Monate nach der Schließung meines Betriebes meine neue Selbständigkeit als Immobilienmaklerin begonnen, Weiterbildungen gemacht und in kürzester Zeit erfolgreich abgeschlossen.

Ich verkaufe hauptsächlich Wohnimmobilien und Grundstücke und bin aber durch mein Know How auch Ansprechpartnerin für Reitanlagen und landwirtschaftliche Betriebe. So schließt sich der Kreis wieder, und das macht mich sehr glücklich.( www.starck-immo.de)

Bei welchen Rennveranstaltungen, abgesehen von der Arbeit in der Rennleitung, sind Sie national oder international besonders gerne dabei?

Daniela Starck: Meine Heimatbahn ist Hoppegarten, mit der ich meine Kindheit und Jugend mit vielen Freunden verbinde. Aber grundsätzlich mag ich jede Rennveranstaltung, die von ihren Verantwortlichen mit viel Herzblut organisiert wird. Mir persönlich geht es weniger um Aushängeschilder. Ich mag gern auch die ehrlichen Kleinen, den Basissport.

Eindrücke rund um das Jubiläums-Meeting 200Jahre Deutscher Galopp am 14.08.2022 in Berlin-Hoppegarten

Ich war beispielsweise während meiner USA-Zeit beim Kentucky Derby 1996 und habe vor Menschenmassen kein einziges Pferd gesehen oder bei widrigem Wetter auf dem Curragh mit gefühlten acht Grupperennen hintereinander, bei unzähligen Derbys und Großen Wochen. Es war immer sehr aufregend und schön, aber die Currywurst in Quakenbrück ist auch unheimlich lecker (lacht).

Mir persönlich fehlen unsere Hindernis- und Jagdrennen, die sowohl den Reitern als auch den Pferden viel abverlangt haben. Es hat unseren Sport vielseitiger gemacht und die Zucht der Vollblüter gefordert und gefördert. Wo ich gern wieder dabei wäre? Beim Großen Hoppegartener Jagdrennen. Unvergessene und schöne Momente.

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Michael Hähn
Michael Hähn
Unser Autor Michael Hähn arbeitet als freier Journalist in Baden-Baden. Der Galopprennsport ist seit vielen Jahren sein Metier, und seine Leidenschaft sind Rennveranstaltungen in Deutschland und auf der ganzen Welt.

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