Die Hamburger Derby-Woche und er – das gehört seit vielen Jahrzehnten zusammen: Dr. Peter Wind, Internist aus Hamburg, sorgte als Rennbahnarzt auf der Galopprennbahn in Horn schon für das Wohl vieler Aktiver (nicht nur während der Meetings) und Besucher. Bekanntlich rettete er auch Tennisstar Monica Seles das Leben nach dem Attentat beim Tennisturnier am Hamburger Rothenbaum. Aber auch als Besitzer von Galopprennpferden (u.a. im Stall Winterhude, dem u.a. auch Daniel Delius angehört) ist er dem Turf eng verbunden. Gründe genug für ein Insider-Talk mit Dr. Peter Wind auf dem RaceBets-Blog.
Die Derby-Woche 2023 steht unmittelbar bevor. Was fasziniert Sie am Blauen Band? Und welche Derbys sind Ihnen in der Geschichte am meisten in Erinnerung geblieben?
Dr. Peter Wind: Ich bin nun ja schon 40 Jahre lang beim Derby dabei und bin eigentlich immer fasziniert. Früher war es natürlich sehr schön, dass bis zu 50.000 Besucher pro Tag vor Ort waren. Das würde ich gerne noch einmal erleben. Von den einzelnen Derbys fällt mir das von Samum im Jahr 2000 ein. Noch heute höre ich die Stimme von Kommentator Manfred Chapman, der immer wieder „Samum, Samum“ rief, so dass man richtig Gänsehaut bekam. Das war zum Beispiel ein tolles Erlebnis. Natürlich auch der Derbysieg von Belenus 1999, weil ich an dem Pferd beteiligt war. Ich habe also schon einmal das Derby gewonnen, wenn auch nur mit einem kleinen Anteil. Das war ein tolles Gefühl, und wir haben damals richtig gefeiert.
„Beim Wetten bin ich engagiert“
Sie gelten auch als leidenschaftlicher Wetter. Wie stark sind Sie in aller Regel beim Derby „engagiert“? Gibt es noch die legendären Derby-Dreierwetten gemeinsam mit vielen anderen Turf-Größen?
Dr. Peter Wind: Ich wette sehr gerne, das kann sich auch schon mal um 500 Euro am Tag handeln. Mit den Dreierwetten-Gemeinschaften ist es nicht mehr so wie früher, aber ich habe jetzt mit meinem Freund und Mitbesitzer Thomas Collatz häufig eine hohe Dreierwette gemacht, er ist ein richtiger Zocker, wie man so schön sagt, und spielt oft ein Pferd auf Platz 1 bis 3 auf alle. Da kann man schon mal eine hohe Quote gewinnen. Also beim Wetten, da bin ich engagiert.
Was waren aus Ihrer Zeit als Bahnarzt die schönsten Momente?
Dr. Peter Wind: Es gab sehr viele schöne Zeiten, zum Beispiel als das Derby-Zielt noch stand und wir Ärzte nach Feierabend dort genussvoll ein Bier getrunken haben. Da konnte man bei der untergehenden Sonne den Tag ausklingen lassen. Noch schöner war die Zeit, als Moet & Chandon das Champagner-Zelt aufgebaut hatte. Da sind wir natürlich auch vorbeigekommen und haben uns mal einen Champagner gegönnt, aber natürlich erst nach den Rennen.
„Ich kenne 95 Prozent der deutschen Rennbahnen“
Sie sind auch medizinischer Berater von Deutscher Galopp. Was sind hier aktuell die dringendsten Aufgaben aus Ihrer Sicht?
Dr. Peter Wind: Ich kenne ja in der Zwischenzeit 95 Prozent der deutschen Rennbahnen. Und viele Ärzte habe ich in meiner Beratungszeit kennengelernt. Da waren früher sehr viele engagierte Ärzte dabei, und wir haben sogar Meetings in Köln gemacht, bei denen wir uns gegenseitig ausgetauscht haben. Diese Ärzte werden natürlich auch älter und haben nicht alle einen Nachfolger an ihrer Seite gehabt, so dass ich jetzt feststelle, dass immer mehr jüngere, aber leider auch Rennbahn-unerfahrene Ärzte auf der Rennbahn sind. Diese müssen von den Veranstaltern gepflegt werden, dass sie sich für ihre Rennbahn engagieren, so wie ich das auch früher mit meinen Kollegen gemacht habe und jetzt mit meinen jüngeren Kollegen mache, die ich an meiner Seite aufbaue.
Das ist ganz dringend, und das weiß auch die Rennleitung. Herr Dr. Biermann ist auch schon an diesem Thema dran. Wir müssen darauf achten, dass wir engagierte Ärzte auf jeder Rennbahn haben, die für ihre Rennbahn den Dienst machen. Viel Geld verdienen die Rennbahnärzte nicht. Das muss man wissen, es gehört eben ein gewisses Engagement dazu.
„Clever Candy war ein Glücksgriff“
Mit Clever Candy haben Sie in diesem Jahr schon ein Listenrennen als Mitbesitzer im Stall Winterhude gewonnen. Wie sind Sie damals an die Stute gekommen? Was zeichnet sie aus?
Dr. Peter Wind: Ein Trainersohn hatte drei Stuten, und ich konnte in Erfahrung bringen, dass er sich von einer Stute gerne trennen wollte. Das war Clever Candy. Nachdem ich mit dem Trainer gesprochen hatte, habe ich erfahren, dass die Stute schon ganz gut drauf ist, und wir haben uns dann dazu entschlossen, sie zu kaufen. Wir hatten bei der Auktion Glück und sie für 11.000 Euro ersteigert. Das war schon ein Glücksgriff, denn sie hat ja gleich für uns gewonnen.
Clever Candy ist ja eine Sprinterin, aber das Schönste ist, dass sie zum Schluss immer noch den Turbo zünden kann. Nach einem Ritt sagte schon einmal ein Jockey, ich glaube, ich sitze auf einer Rakete. Wenn die Stute im richtigen Moment entsprechend eingesetzt wird, kann sie von hinten das Feld überrollen. In diesem Stil ist sie mehrfach gelaufen. Manchmal ist allerdings eine Wand an Pferden vor ihr, wenn sie die Spur wechseln muss, gelingt das nicht immer. Das ist ein gewisses Risiko, und man muss einen Jockey haben, der das gut kann.
Wer sind die weiteren Hoffnungen im Rennstall? Und gibt es 2023 einen Sieg beim Derby-Meeting?
Dr. Peter Wind: Es gibt eine Hoffnung, ein zweijähriger Hengst, der Meerchenprinz heißt. Er steht bei Sascha Smrczek und ist in Training und läuft vielleicht sogar noch zweijährig. Nennungen hat er zumindest. Fürs Derby-Meeting hätte ich natürlich sehr gerne Clever Candy in einem größeren Sprintrennen am Start, wie dem Großen Preis von Lotto Hamburg. Bei Herrn von der Recke haben wir Aberfoyle, der schon zweimal für uns gewonnen hat. Er soll möglichst auch in Hamburg laufen.
„Beide Töchter sind vom Rennsport infiziert“
Auch ihre Familie teilen die Leidenschaft für den Turf. Welche Rolle spielen Pferde und Rennen in Ihrem Alltag? Und wer von Ihnen hat schon mal im Sattel gesessen?
Dr. Peter Wind: Glücklicherweise sind beide Töchter, Catharina und Theresa, vom Rennsport infiziert und haben sich schon sehr engagiert. Sie gehören auch der Jungen Besitzervereinigung an und haben bereits eigene Rennpferde. Eine sehr erfolgreiche Stute namens Goldana, die ihnen erfreulicherweise von Gregor Baum zur Verfügung gestellt wurde und auch große Rennen gewonnen hat. Jetzt kommt noch hinzu, dass beide Freunde ebenfalls sehr begeisterte Rennsportfans sind und sich auch engagieren, in der Jungen Besitzervereinigung und sogar im Hamburger Renn-Club. Hier versuchen sie auch etwas neuen Schwung reinzubringen. Da bin ich ganz stolz. Meine Frau hatte ja keine andere Chance, sie ist von Anfang an dabei. Ich habe sie in der Zeit kennengelernt, als ich mit dem Galopprennsport angefangen habe. Sie hat aber auch ganz viel Spaß, und wir reisen auch gerne den Pferden hinterher. Am liebsten nach Cagnes-sur-mer.
Geritten sind die Kinder nur mal auf Ponys, sonst gibt es bei uns keine Reiter. Ich selbst bin mehrfach Trabrennen gefahren und habe auch schon zweimal gewonnen in öffentlichen Rennen.
„Mehr zentrale Steuerung“
Sie haben viele Höhen und Tiefen des Rennsports erlebt. Was würden Sie ändern bzw. verbessern, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten?
Dr. Peter Wind: Ich wünsche mir für die Zukunft ein stärkeres Direktorium mit mehr Einflussnahmen. Für mich ist die Turf-Gemeinde nur zusammen stark. Man könnte dann auch mit überregionalen Groß-Sponsoren arbeiten, aber das sollte meiner Meinung nach mehr zentral gesteuert werden, ohne jemandem vor Ort etwas wegzunehmen, denn meistens handelt es sich bei diesen Leuten ja auch um Groß-Sponsoren, die die Bahnen sehr stark unterstützen. Es geht nur gemeinsam.
Welche Galopp-Events außer Hamburg wollen Sie national wie international nicht verpassen? Und welche Top-Rennen würden Sie gerne erstmals besuchen?
Dr. Peter Wind: National bin ich immer regelmäßig in Baden-Baden und liebe auch die Harzburger Rennwoche. International hat mir die Atmosphäre beim Prix d‘ Amérique extrem gut gefallen. Ich hatte das Glück, dort auch gute Plätze zu haben. Ein Top-Rennen, das ich noch gerne mal besuchen möchte, wäre der Japan Cup. Ich war schon einmal in Tokio im Rahmen eines Rennbahn-Ärztetreffens an einem normalen Renntag. Das war schon sehr faszinierend, zumal da ja bis zu 100.000 Zuschauer auf der Bahn waren und eine gute Atmosphäre herrschte.
Abschließend: Wie sieht für Sie der perfekte Renntag aus?
Dr. Peter Wind: Ich bin rechtzeitig vor Ort und kann mich vor den Rennen schon mal mit den Jockeys, die ich auch betreue, austauschen und mit dem ein oder anderen Trainer plaudern. Am besten auch bei schönem Wetter mit Freunden im Biergarten sitzen, das Wetter und das Wetten genießen. Ideal ist es dann, wenn man eine größere Wette trifft und anschließend mit den Freunden den Tag in einem schönen Restaurant ausklingen lässt. Als Zwischenmahlzeit ist eine gut gebratene Bratwurst ein Muss auf der Rennbahn, egal wo.