Ihr Leben ist spannend und alles andere als langweilig: Eva-Maria Geisler hat über 50 Rennen im Rennsattel gewonnen. Ihr Ehemann Gerald bereitet in Iffezheim erfolgreich Rennpferde vor. Und auch als Mutter ist sie gefordert. Exklusiv auf dem Insider-Talk berichtet die 33-jährige über ihre vielen Aufgaben.
„Der Rennsport fasziniert mich“
Sie gelten als eine der besten Reiterinnen in Deutschland. Was bedeutet Ihnen das Rennreiten? Was fasziniert Sie daran?
Eva-Maria Geisler: Der Rennsport allgemein fasziniert mich. Ich bin von diesem Virus wirklich infiziert. Mit zwei Kindern kann ich natürlich nicht mehr so viele Rennen reiten oder so viel reisen wie früher, aber so wie es jetzt ist, passt es für mich. Ich versuche meine Chancen am Stall zu nutzen. Das Arbeiten mit den Pferden im Training und das Rennreiten ist meine Welt und mein Leben.
Viele Erinnerungen an Alta Monte, Rosenhill, Emirati Spirit und Leoderprofi
An welche Erfolge denken Sie besonders gerne zurück? Welches waren oder sind Ihre Lieblingspferde im eigenen Stall?
Eva-Maria Geisler: Ein spezieller Sieg war der Erfolg mit Alta Monte, der als einäugiges Pferd als sehr schwierig und speziell im Training galt. Ich hatte mit ihm viel gearbeitet, und er hat das Vertrauen wieder bekommen. Lena Pecheur, die früher Lena Mattes hieß, hat mit ihm mehrere Amateurrennen gewonnen. Mein Ziel war immer, mit ihm einmal zu siegen. Das hat in Dortmund auf der Grasbahn geklappt und war eine sehr emotionale Angelegenheit. Da sind bei mir einige Tränen gekullert, da ich zu dem Pferd eine ganz besondere Verbindung hatte.
Außerdem habe ich von dem leider inzwischen verstorbenen Besitzer Hans Hülsenbeck die Chance bekommen, Rosenhill im Derby 2016 zu reiten, wo wir 13. wurden, nachdem wir auch zusammen ein Sieglosenrennen in München gewonnen haben und in Auktionsrennen ein Team waren. Für die Möglichkeit, am bedeutendsten Rennen in Deutschland teilzunehmen, bin ich sehr dankbar.
Für Mario Hofer habe ich das Pferd Emirati Spirit sechsmal geritten und sechsmal gewonnen, auf Gras und auf Sand. Ein ganz außergewöhnliches Pferd für mich war Leoderprofi, auf dem ich das Rennreiten auch gelernt habe. Er wusste ganz genau, wo es langging und war eine ganz treue Seele. Das war eine wunderschöne Zeit. Er bekommt sein Gradenbrot bei uns, genießt sein Rentnerdasein und hat immer gute Laune. Und 2016 habe ich mit unserem Bacchus Danon den Preis der Perlenkette in Neuss gewonnen, den bedeutendsten Wettbewerb für Reiterinnen in Deutschland.
„Mir hat das Adrenalin gefehlt“
Vor einigen Jahren hatten sie einmal ganz aufgehört zu reiten. Was hat sie dazu bewogen, es doch wieder zu versuchen?
Eva-Maria Geisler: Der Grund, damals aufzuhören war, dass mein Mann und ich nach unserer Hochzeit den Plan hatten, zusammen ein Kind zu haben. Unsere Tochter Maylin ist inzwischen drei Jahre alt. Nach einem knappen Jahr meiner Schwangerschaft habe ich schon wieder Rennen geritten und in Frankreich mit Kick and Rush gewonnen. Mir hat dieses Adrenalin einfach gefehlt und war es zu langweilig. Für unseren Stall und andere Trainer, deren Pferde ich kenne, steige ich sehr gerne in den Sattel.
„Wir Frauen müssen die Ellbogen ausfahren“
Wie schwer haben es Frauen Ihrer Meinung nach im Rennsattel? Sibylle Vogt hat sich zum Beispiel ja glänzend etabliert.
Eva-Maria Geisler: Aus meiner Erfahrung haben es Frauen gerade am Anfang in diesem Beruf sehr schwer, das war auch bei mir so. Man muss sich in jedem Rennen aufs Neue beweisen und die Ellbogen ausfahren. Es ist nicht leicht den Männern zu zeigen, dass auch wir Frauen Rennen gewinnen können. Mit den Erfolgen damals kam aber auch der Respekt, und man gehört dann dazu. Irgendwann ist es normal, dass Reiterinnen wie Sibylle Vogt in Grupperennen reiten. Wenn es aber einmal vier Wochen bei uns Frauen nicht so läuft, wird man schneller zur Seite geschoben als ein Jockey, der einen Namen hat.
Ganz andere Möglichkeiten in Frankreich
Was ist der Unterschied zu Frankreich? Wären Sie für eine Reitererlaubnis für Amazonen gewesen?
Eva-Maria Geisler: Die 1,5 Kilo-Erlaubnis für Damen in Frankreich gibt den Frauen ganz andere Möglichkeiten als bei uns. In Cagnes-sur-Mer habe ich Anfang des Jahres viele Mädels beobachtet, die sehr schwach geritten sind, sich aber mit der Zeit durch die Erlaubnis und die hinzugewonnenen Erfahrungen enorm entwickelt haben. Das geht nur durch die Chancen, die man bekommt, um sich zu beweisen. In Deutschland ist das sehr schwierig mit den wenigen Ritten. Man lernt nur und bekommt die nötige Kraft mit dem Rennreiten. Warum kann man die Frauen nicht auch hierzulande fördern? Es ist schade und traurig, dass die Damenerlaubnis nicht gekommen ist, denn wir brauchen unbedingt Nachwuchs.
Die Aufgaben werden aufgeteilt
Ihr Ehemann Gerald ist erfolgreicher Trainer in Iffezheim. Welche Aufgaben nehmen Sie am Quartier wahr? Wie sehen Sie die Saison für den Stall rückblickend?
Eva-Maria Geisler: Ich reite die Pferde jeden Tag im Training und erledige viele Kleinigkeiten, wie Bandagen anlegen oder Pferde zu verarzten. Mein Mann ist für das Training zuständig und er kontrolliert, ob bei den Pferden alles in Ordnung ist, bevor sie rausgehen. Beide kümmern wir uns um die Pflege unserer Besitzer. Auch die Arbeit im Büro ist sein Bereich. Ich bin hausächlich auf dem Pferd im Einsatz. Wenn ich keine Rennen reite und wir Pferde auf mehreren Bahnen laufen haben, dann teilen wir beide uns auf und jeder begleitet sie an einen Ort.
Durchwachsene Saison
2020 war ein Jahr, das ich als durchwachsen bis okay einstufe. Es war oft sehr schwer, die passenden Rennen zu finden, da wenig Auswahl war. Die Distanzen oder die Ausschreibungen passten häufig nicht.
Corona und seine Auswirkungen
Wie hat sich die Corona-Krise bei Ihnen ausgewirkt? Wie schützen Sie sich und die Mitarbeiter am Stall?
Eva-Maria Geisler: Leider kann im November während des Lockdowns nicht an der neuen Trainingsbahn gearbeitet werden, da die zuständige Firma aus Frankreich kommt und die Ausgangssperre dort alle Pläne vereitelte. Generell hoffe ich, dass nach den vier Wochen Lockdown und kurz danach Weihnachten und Silvester nicht im Januar wieder ein Rückschlag kommt.
Nicht nur wenn Besitzer zu uns in den Stall kommen möchten, sondern immer bei der Arbeit hält man natürlich die Hygiene- und Abstandsregeln ein. Man gibt niemandem die Hand. Direkt am Händewaschbacken haben wir Desinfektionsmittel. Die Pferde müssen bewegt werden und wir stets arbeiten. Die Pause verbringen die Mitarbeiter nicht mehr im Frühstücksraum und verteilen sich. Die Hälfte unserer Mitarbeiter hat die Wohnung direkt am Stall, sie gehen in der Pause dorthin.
Leevke vor großer Zukunft?
Auf welche Pferde aus dem eigenen Quartier freuen sie Sich für nächstes Jahr ganz besonders und weshalb?
Eva-Maria Geisler: Ich hoffe und denke, dass wir ordentliche Dreijährige für 2021 haben. Sehr stark war der Sieg von Stall Herbs Leevke in München. Ich freue mich auch sehr auf Big Bourbon und Walid, eine nahe Verwandte von Wonderful Görl. Ich hoffe, dass sie alle gesund bleiben über Winter und sich weiterhin so gut entwickeln.
Volles Programm die ganze Woche
Wie vereinbaren Sie alle Aufgaben, auch als Mutter, miteinander? Wie sieht ein normaler Tagesablauf aus?
Eva-Maria Geisler: Es ist wie bei jedem Ehepaar mit Kindern, bei dem beide Elternteile einen Beruf ausüben, wir haben keinen Feiertag oder freies Wochenende. Wenn meine Schwiegermutter zu Besuch ist, dann kann ich meine Arbeit im Stall früh beginnen und sie versorgt die Kinder für die Schule oder den Kindergarten. Meine große Tochter Lilly wird jetzt 12 Jahre. Danach kommt der Stall und die andere Arbeit dran. Natürlich ist auch die Hausarbeit ein Faktor, wie das Kochen oder Einkaufen. Bei uns fängt der Tag im 5 Uhr oder 5:30 Uhr an, im Sommer schon um 4 Uhr oder 4:30 Uhr, und hört abends um 22 Uhr auf.
Zweimal im Jahr für zwei Tage in Urlaub
Bleibt überhaupt Zeit für Freizeitaktivitäten? Würden Sie Ihren Kindern einmal raten, im Rennsport zu arbeiten?
Eva-Maria Geisler: Für Hobbys haben wir fast gar keine Zeit. Mein Mann und ich versuchen, dass jeder einen Tag in der Woche den Nachmittag für sich hat und mal runterfahren kann. Da übernimmt der eine die Aufgaben des anderen. Zweimal im Jahr fahren wir für jeweils zwei Tage weg, wenn es klappt. Ob ich meinen Kindern raten würde, eines Tages im Rennsport zu arbeiten? Wir machen es ihnen vor, sie wachsen damit auf. Doch eigentlich bevorzuge ich für ihre Zukunft, dass sie einen Beruf erlernen, den sie auch im höheren Alter noch ausüben können und in dem sie mehr Geld verdienen.Sollten sie doch etwas im Rennsport machen wollen, dann unterstützen wir sie natürlich, aber wir würden ihnen raten, nicht im hiesigen Rennsport tätig zu werden. Ich kann nur den Hut ziehen vor Thore Hammer-Hansen, der sich als Nachwuchsreiter in England fest etabliert hat und den richtigen Schritt unternommen hat.