Insider-Talk mit Gunter Barth: „Zeitung, Internet, Führring sind meine Quellen“

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Seine Stimme haben Sie bestimmt schon oft gehört. Ob in Hoppegarten, Dresden oder Leipzig – Gunther Barth bringt allen Besuchern vor Ort und am Livestream das Geschehen als Rennkommentator nahe. Mit viel Fachwissen ist er gleichzeitig auch ein gern gesehener Wettexperte auf den verschiedensten Hippodromen Deutschlands. Exklusiv im Insider-Talk auf dem RaceBets-Blog berichtet der 51-jährige über seine spannende Arbeit im Turf.

Der frühere Rennkommentator Manfred Chapman sagte, dass er schon in frühester Jugend Rennen mit Murmeln zu Hause veranstaltet hat und den Verlauf kommentiert hat. Ist bei Ihnen auch schon früh der Wunsch entstanden, Rennen zu kommentieren? Und wie hat alles angefangen?

Gunther Barth: Vor den Pferdenamen der einzelnen Rennen in den Rennprogrammen meiner Kindheit befinden sich tatsächlich verschiedene Farbmarkierungen, das ist einem Pferderennwürfelspiel geschuldet. Ich habe wohl das eine oder andere Rennen als Kind nachgespielt. Also, …eventuell hat das unbewusst Einfluss genommen. Soweit ich zurückdenken kann, gehe ich auf die Rennbahn und einige Freunde und Bekannte arbeiteten in Rennställen. Anfang 1993 gab es eine Anzeige im Hoppegartener Rennprogramm, betreffs Suche nach einem Rennkommentator. Ich wollte es zumindest wagen, ich dachte das könnte ein Platz für mich im Rennsport sein, sprach den damaligen Kommentator Hartmut Faust an und war einer von ca. 15 Leuten, die sich versuchten.

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„Mein erstes Rennen war ein Nachwuchsreiten“

Können Sie sich noch an Ihre ersten Einsätze erinnern?  Und welche Pferdenamen waren in all den Jahren besonders schwierig?

Gunther Barth: Damals war die Position des Kommentators in Hoppegarten noch im Zielrichterturm, also dicht am Geläuf, unglaublich schwer von vorn Abstände zwischen den Pferden erkennen zu können. Daran erinnere ich mich und natürlich an das große Lampenfieber, den Knopf zu drücken und anzufangen. Mein erstes Rennen war passenderweise ein Nachwuchsreiten.

Sideshow Bob siegt unter Maxim Pecheur am 14.05.2023 in Hoppegarten

Mein zweiter Einsatz bleibt für immer sehr präsent, die Bahn war gut besucht, und im Zielturm stand man ja quasi direkt neben den Zuschauermassen. Ich war ein Rennen vor dem Hauptrennen dran, und es lief ganz gut, bis ich im Schlussbogen stockte und dann, zwar leise aber hörbar, ein Wort mit den Anfangsbuchstaben „Sch“ sagte. Die Reaktion der Zuschauer kam natürlich prompt, unvergessen, aber ich fand den Faden wieder und war recht stolz, das Rennen noch nach Hause gebracht zu haben.

Hartmut Faust und Geschäftsführer Artur Boehlke gaben mir weitere Einsätze, und ab dem folgenden Jahr war ich dann ab und zu in Vertretung für Hartmut Faust im Einsatz, auch auf anderen Bahnen im Osten, vor allem Bad Doberan und Gotha.

Ja, die Namen. Die Phantasie der Namensgeber ist sehr groß, es gibt viele Fremdsprachen, viele Begriffe aus Kunst, Kultur, Geschichte, Politik, Flora, Fauna, Geographie, etc. und manchmal auch eingetragene Schreibfehler. Ich versuche mein Bestes!  Lustig wird es im Rennen, wenn sich vorher nicht zu erahnende Situationen ergeben. Natürlich spreche ich vorher Namen durch, und wenn die Nummer 1 Sydney City heißt und die 10 Mississippi wägt man sich in Sicherheit. Kommen die aber vorn Kopf-Kopf in die Gerade sieht es etwas anders aus. 

Diese Tätigkeit erfordert höchste Konzentration und optimale Vorbereitung. Wann beginnt bei Ihnen die Vorarbeit und wie sieht diese aus?

Gunther Barth: Den Tag vor dem anstehenden Renntag nutze ich zur Vorbereitung. Namen durchsprechen, Rennfarben grob durchgehen, Hintergrundinfos zusammenstellen.

„Ich nutze das Fernglas etwas mehr als die TV-Bilder“

Benutzen Sie gerne Hilfsmittel wie ein Fernglas oder kommentieren Sie meistens anhand der TV-Bilder?

Gunther Barth: Es kommt jeweils auf die Rennbahn, Startstelle und Rennverlauf an. Vermutlich nutze ich das Fernglas etwas mehr als die TV-Bilder, grundsätzlich aber beides.

Haben Sie nationale oder internationale Vorbilder?

Gunther Barth: In den neunziger Jahren bin ich viel gereist, kurz nach meinen ersten Versuchen konnte ich Jean Pierre Bailly in Deauville über die Schulter schauen. Auch in Hong Kong und vor allem in Australien lernte ich Top-Kommentatoren kennen und versuchte daraus, über die Jahre meinen eigenen Stil zu finden.

Welches Rennen würden Sie besonders gerne einmal kommentieren?

Gunther Barth: Ich habe das Glück und auch die Ehre auf einer Rennbahn wie Hoppegarten sportlich wichtige Rennen kommentieren zu können, und ein Gruppe I-Rennen wie der Große Preis von Berlin ist für mich auch immer etwas Besonderes.

Aber abgesehen von sportlicher Wertigkeit möchte ich meinen Teil zu einer gelungenen Veranstaltung beitragen. Die Renntage in Dresden und Leipzig, die ja auch sportliche Highlights haben, machen mir genauso viel Spaß und sind mir genauso wichtig. Ich bin den Vereinen sehr dankbar, dort kommentieren zu können.

Start zum 123. Gro§er Preis von Berlin, Gr.1 am 21.07.2013 in Hoppegarten

„Ich will keine Insider-Ansagen“

Sie gelten auch als einer der besten Wettexperten bei den Übertragungen der Rennen. Was waren persönlich Ihre bisher besten Wetten? Und welche Paramater sind Ihnen besonders wichtig?

Gunther Barth: Vorab, ich mag die Bezeichnung Wettexperte nicht wirklich. Wenn ich ein solcher wäre, könnte ich davon leben. Aber gut, letztlich kommt diese Bezeichnung vermutlich für das Zuschauerverständnis der „Wettexperten-Position“ in der Übertragung am nächsten.

Mein Anspruch ist, dem Neuling etwas mit auf den Weg zu geben und den Stammgast nicht seine Quote zu vermiesen. Neue Zuschauer möchte ich dazu bewegen, sich selbst in die Materie einzuarbeiten, nicht stur vorsagen, wen sie wetten sollen. Und für Stammgäste etwas fachsimpeln. Ich habe ewig keinen Trainer mehr nach einem heißen Tipp gefragt. Ich will keine Insider-Ansagen geben, sondern selbst nur mit den Quellen arbeiten, die jedem zur Verfügung stehen. Zeitung, Internet, Führring.

Im letzten Sommer gab es einen interessanten Renntagsverlauf in Deauville, wir kamen Samstagabend an und gingen Sonntag ganz entspannt hin. Das erste Rennen war grad durch, also Zeitung auf fürs zweite. Pferd gefunden, Sieg gewettet, Zweiter. Drittes Rennen, Pferd ausgesucht, Sieg gewettet, Zweiter. Ein kleines Getränk, viertes Rennen, gleiche Geschichte. Das fünfte Rennen, Gruppe I, hab ich dann erstmal ausgelassen.

Danach, von Rennen sechs bis Rennen zehn, hab ich alle Sieger getroffen, vom 2:1-Favorit bis zum 26:1-Außenseiter. Den Formenteil von Paris-Turf der letzten drei Rennen hatte ich im Hotel gelassen, wir wollten eingentlich schon vorher gehen. Nach dem letzten Rennen hab ich dann meiner Partnerin gesagt, sie darf mich für heute Wettexperte nennen.

„Stex ist etwas ganz Besonderes“

Sehr erfolgreich waren und sind Sie auch als Züchter, man denke nur an die Klassestute Stex. Was waren die schönsten Treffer bisher?

Gunther Barth: Es gab einige spezielle Momente, Villardo gewann früh dreijährig zwei Rennen, hätte Black Type holen können, wurde aber nach Australien verkauft, wo er immerhin auch in Melbourne gewann. Valajani wurde das erste Black Type-Pferd, leider auch früh verkauft, er wäre eine feste Stehergröße hierzulande geworden.

Villardo siegt unter Eduardo Pedroza am 16.05.2017 in Hannover

Valanca gaben wir mit Absicht sehr viel Zeit, sie gewann vierjährig fünfmal. Stex ist natürlich etwas Besonderes, ein Traditionsrennen wie den Premio Federico Tesio zu gewinnen, ist und bleibt großartig. Einen berechtigten Starter im Großen Preis von Berlin zu haben war ein toller Moment. Aber ich bin nur der Theoretiker, der Dank geht an die Trainer, vor allem Roland Dzubasz und seinem Team sowie an das Gestüt Etzean mit Ralf Kredel und seinem Team.

Wie sind Ihre aktuellen Zucht- und Rennstalldispositionen?

Gunther Barth: Im Rennstall Dzubasz steht Szia, eine dreijährige Schwester von Stex für eine Besitzergemeinschaft. In der Zucht sind Sun Society und ihre Tochter Stex, beide stehen auf der Liste von Japan, zudem Valanca, die zu Intendant gehen soll.

Valanca siegt unter Bauyrzhan Murzabayev am 11.10.2020 in Köln

Was machen Sie im Hauptberuf? Und welche Rennbahnen und Meetings besuchen Sie in Ihrer Freizeit regelmäßig?

Gunther Barth:  Ich bin gelernter Offsetdrucker, war auch lange in diesem Handwerk als Abteilungsleiter Druck tätig. Mittlerweile bin ich, auch schon langjährig, Rezeptionsleiter in einer großen Jugendherberge.

Ich hatte vor einem Jahr mal durchgezählt und kam auf knapp 70 Rennbahnen, die ich besucht habe, ab 1991 war für lange Zeit das Arc-Wochenende der einzige feste Bestandteil. Die letzten Jahre überschnitt es sich oft mit dem Tag der Deutschen Einheit, aber für dieses Jahr ist Paris wieder gebucht.

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Michael Hähn
Michael Hähn
Unser Autor Michael Hähn arbeitet als freier Journalist in Baden-Baden. Der Galopprennsport ist seit vielen Jahren sein Metier, und seine Leidenschaft sind Rennveranstaltungen in Deutschland und auf der ganzen Welt.

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