Ihre Statur ist eher ungewöhnlich für eine Rennreiterin. 1,80 misst die Bremerin Melina Ehm, die am Mahndorfer Stall von Pavel Vovcenko arbeitet und von dem Erfolgscoach zahlreiche Chancen im Rennsattel erhält. Exklusiv im Insider-Talk auf dem RaceBets-Blog berichtet die 27-jährige über ihre Pläne.
Sie sind für einen Jockey ungewöhnlich groß. Wie kamen Sie bei solch eher unpassenden Voraussetzungen auf die Idee, Rennreiterin werden zu wollen? Und was wäre die Alternative gewesen?
Melina Ehm: Der Galopprennsport fasziniert mich eigentlich schon mein ganzes Leben lang. Meine Eltern hatten Zuhause immer eigene Ponys und Ex-Galopper, und so kam es ,dass ich bereits mit sechs Jahren mein erstes Ponyrennen in Garrel, einer kleinen Bahn in Norddeutschland, die es leider nicht mehr gibt, geritten bin. Jahrelang bin ich diese Rennen bundesweit geritten. Ich ritt damals schon gegen Robin Weber oder Martin Seidl im Ponyrennen.
Als die Ponys dann zu klein wurden stieg ich auf die Reitpferderennen um und begann im Rennstall morgens im Training auszureiten. Immer am Wochenende und in den Ferien. Meine ersten Berührungen mit Rennpferden hatte ich im Stall von Elfi Schnakenberg. Von ihr bekam ich auch meine ersten Chancen im Rennen zu reiten, als ich meine Amateurrennreiterprüfung in Köln erfolgreich abgeschlossen hatte.
Mein Hobby zum Beruf zu machen kam ganz spontan. Mein Plan war es, als Pferdewirtin zu arbeiten jedoch nicht mit dem Schwerpunkt Rennreiten, da mir ja selber bewusst ist ,dass ich nicht die optimalen Voraussetzungen als Rennreiterin habe. Ich wollte ursprünglich nur als Amateur Rennen reiten.
Als ich nach meinem Schulabschluss für ein Auslandspraktikum sechs Monate in Portugal war und mein Ausbildungsplatz kurzfristig abgesagt wurde, stand ich ohne weiteren Plan da. Pavel bot mir dann spontan einen Ausbildungsplatz an. Seitdem bin ich nun am Stall von Pavel Vovcenko und bin mir sicher, dass es die richtige Entscheidung war im Rennstall zu arbeiten. Ich liebe meinen Job mit den Pferden.
Große Familie mit 4 Brüdern und 7 Schwestern
Sie haben eine sehr große Familie mit zahlreichen Geschwistern. Können Sie uns einen Einblick geben und auch schildern, wer sich alles für den Rennsport und Pferde interessiert?
Melina Ehm: Ich habe eine große Familie. Wir sind zu zwölft, 4 Brüder und 7 Schwestern habe ich. Da wir mit Pferden aufgewachsen sind, können wir alle reiten und haben auch fast alle an Ponyrennen teilgenommen. Meine beiden Schwestern Melissa und Belinda haben außerdem ebenfalls die Amateurrennreiterprüfung erfolgreich bestanden, leben nun aber in Spanien. Melissa arbeitet in Madrid im Rennstall bei Guillermo Arizkorreta als Auszubildende, und es gefällt ihr dort sehr gut.
Man sieht Sie in letzter Zeit immer häufiger auf Pferden Ihres Chefs Pavel Vovcenko. Was schätzen Sie besonders an ihm? Und wie verläuft die Zusammenarbeit?
Melina Ehm: An meinem Chef Pavel schätze ich seinen Pferdeverstand, und dass er jedem Pferd so viel Zeit gibt, wie es individuell braucht. Er hat mich schon zu meiner Zeit als Auszubildende mit Ritten unterstützt. Sogar in Seejagdrennen in Bad Harzburg und Quakenbrück durfte ich für meinen Trainer an den Start gehen und war dort auch zweimal platziert. Daran denke ich oft und gerne zurück. Ich bin sehr froh, dass unsere Zusammenarbeit während meiner Schwangerschaft nicht abgebrochen ist und bin dankbar, nun direkt wieder chancenreiche Ritte von Pavel zu bekommen. Der Dank geht natürlich auch raus an jeden einzelnen Besitzer, der mir sein Pferd im Rennen anvertraut hat. In unserem Stall haben wir wirklich viele tolle Besitzer, zu denen man schon eine gute Freundschaft aufgebaut hat.
„Jedes Land war einzigartig“
Sie stehen aktuell bei 26 Siegen und haben auch schon einige Länder früher als Amateur besucht. Eas waren bisher Ihre persönlichen Highlights?
Melina Ehm: Ich hatte die Chance dreimal beim Sheikha Fatima Bint Mubarak Apprentice World Championship teilzunehmen. Im Rahmen dieses Festivals konnte ich einige Länder bereisen, viele Leute kennenlernen und den Galopprennsport in verschiedenen Facetten kennenlernen. Jedes Land war einzigartig, so durfte ich zum Beispiel in Abu Dhabi in der Morgenarbeit in der Wüste mit ausreiten oder durfte in Algerien die erste Frau sein, die dort jemals ein Rennen ritt.
Ich erinnere mich an jeden einzelnen meiner Siege sehr gerne zurück und bin dankbar, das alles erlebt zu haben. Wenn ich einen Sieg hervorheben müsste, würde ich mich für den Sieg mit Lover Boy in Berlin-Hoppegarten entscheiden. Ich denke, er war das beste Pferd, das ich im Rennen reiten durfte. Außerdem hatte er einen einmaligen Charakter und war einfach ein tolles Pferd. Nun genießt er sein Leben als Freizeitpferd.
Gesundheit und Spaß stehen im Vordergrund
Sind Ihre vorrangigen Ziele für 2023 Siege im Sattel oder gibt es auch andere Aufgaben, die Sie am Quartier mit besonderer Verantwortung ausfüllen?
Melina Ehm: Mein vorrangigstes Ziel ist immer erst einmal gesund zu bleiben und den Spaß an der Arbeit und die Liebe zu den Pferden nicht zu verlieren. Ich reite sehr gerne Rennen und freue mich über jede Chance und jeden Sieg, den ich erleben darf. Wenn ich am Renntag keinen Ritt habe, führe ich auch gerne die Pferde im Führring. Mir bereitet es unheimlich viel Freude mit den Pferden auf Reisen zum Rennen zu fahren und sie dort zu betreuen. Sie schön herausputzen und gut im Führring zu präsentieren hat mir schon immer Spaß gemacht.
Wie verbessern Sie Ihre Fitness und Reitstil regelmäßig? Gibt es auch besondere Lehrmeister?
Melina Ehm: Leider haben wir bei uns im Stall keinen Jockey im Team, den man regelmäßig um Ratschläge fragen kann oder der einem Tipps beim Reiten gibt. Ich versuche mich reiterlich zu verbessern, in dem ich mir meine Rennvideos anschaue und versuche meine Fehler zu analysieren, aber verfolge auch nahezu jedes Rennen in Deutschland, um zu versuchen, mir etwas von den Profis abzuschauen. Bei gezielten Fragen standen mir bisher meine Kollegen in der Jockeystube auch immer gerne mit Rat zur Verfügung.
Ihre Kollegin Sibylle Vogt hat es vorgemacht und sich in der Männerdomäne Jockey auch gegen die männlichen Kollegen behauptet. Wie ist aus Ihrer Sicht die Entwicklung für Frauen in diesem Sport?
Melina Ehm: Es gibt mehr und mehr Frauen im Rennsattel. Gerade wenn wir Parallelveranstaltungen an den Wochenenden haben, bekommen viele Frauen Chancen, in denen sie sich im Sattel beweisen können. Aber auch sowohl bei den Amateurrennreiterlehrgängen als auch bei den Ausbildungsplätzen zum Pferdewirt steigt die Anzahl der weiblichen Absolventen. Meiner Meinung nach befanden sich darunter in letzter Zeit eingie talentierte Reiterinnen. Das Aushängeschild für weibliche Rennreiterinnen in Deutschland ist Sibylle Vogt, die ich sehr schätze und bewundere und die sich mit den Männern messen kann.
Wie sieht eine normale Woche bei Ihnen aus?
Melina Ehm: Ich bin jeden Tag im Stall. Da ich noch keinen Betreuungsplatz für meine kleine 2,5- jährige Tochter habe, kommt sie natürlich mit. Auch meine Straßenhündin Noa ist immer mit dabei. Von Montag bis Samstag erledige ich dann erstmal verschiedene Aufgaben auf dem Boden und reite anschließend noch ein paar Lots mit. Während ich am Reiten bin, ist meine Tochter in bester Obhut bei Daja, der Lebensgefährtin meines Chefs Pavel. Auf sie kann ich mich verlassen und sie ist mir eine große Hilfe, damit ich meinen Job weiter nachgehen kann. An den Wochenenden fahren wir dann meist zu den anstehenden Renntagen oder ich besuche meine Familie.