Insider-Talk mit Tommaso Scardino: „Die Top 10 ist ein realistisches Ziel“

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Es gibt kaum einen Reiter, der mit 24 Prozent im Verhältnis Siege/Starts 2022 einen besseren Erfolgsschnitt hatte. Dennoch wird das vergangenen Jahr für den in 14 Rennen siegreichen Tommaso Scardino in die Geschichte eingehen als eine Saison, die geprägt war von großem Verletzungspech. Doch 2023 möchte der gebürtige Italiener wieder voll durchstarten. Und der Anfang mit mit vielen Siegen in Dortmund bereits gemacht. Exklusiv im Insider-Talk auf dem RaceBets-Blog berichtet der 27-jährige über Vergangenes und seine Pläne.

Wie geht es Ihnen aktuell gesundheitlich? Und welche Verletzungen warfen Sie 2022 zurück? Spüren Sie noch Folgen davon?

Tommaso Scardino: Aktuell geht es mir gesundheitlich und fitnessmäßig sehr gut. Ich habe auch einiges dafür getan, körperlich wieder auf Vordermann zu kommen, nachdem ich mir bereits am 08.05.2022 bei einem Sturz in Mannheim das Jochbein gebrochen habe. Keine drei Wochen später bin ich zwar wieder in den Rennsattel gestiegen, aber hatte am 05.06.2022 direkt wieder das Pech, in Saarbrücken zu stürzen. Diesmal waren die Folgen allerdings schwerwiegender. Ich habe mir den zweiten Halswirbel gebrochen, hatte eine Platzwunde am Kinn und hatte zwei Dornfortsatzfrakturen in der Lendenwirbelsäule. Das war ein großer Schock für mich und alle um mich herum, da der Bruch des zweiten Halswirbels auch schwerwiegendere Folgen haben kann. Zu Beginn war ich wirklich sehr deprimiert. Geholfen hat mir, dass drei Tage zuvor mein Sohn zur Welt gekommen ist, und natürlich meine Katrin, die immer für mich da ist, egal, wie schwierig ich manchmal bin (lächelt).

Die heutigen Rennen bei RaceBets

Tommaso Scardino
Tommaso Scardino am 22.01.2023 in Dortmund

Allerdings konnte ich Matteo zu Beginn wegen der Halskrause, die ich sechs Wochen tragen musste, kaum heben oder richtig füttern. Den Wetterumschwung merke ich im Nacken des Öfteren, aber ansonsten habe ich glücklicherweise mit keinen Folgen zu kämpfen.

„Von so einem guten Schnitt lässt sich nur träumen“

2023 hat schon glänzend begonnen. Ist ein Platz unter den Top 10 ein realistisches Ziel? Was haben Sie sich für dieses Jahr vorgenommen? Was sind die Gründe für den tollen Frühstart des Stalles?

Tommaso Scardino: Ich denke schon, dass die Top 10 ein realistisches Ziel ist. Ich habe mir vorgenommen, wie vergangenes Jahr auch, weiter hart zu arbeiten und das Beste aus jedem Rennen herauszuholen. Wir haben den Pferden den Winter über Erholungszeit gegeben und passend zu den Rennen wieder angefangen zu arbeiten, dass es allerdings sofort so toll läuft, war nicht komplett so zu erwarten. Gute Ergebnisse hatte ich erwartet, aber von einem so guten Schnitt lässt sich im Normalfall ja nur träumen.

Tommaso Scardino und Marco Klein
Tommaso Scardino und Marco Klein

Mit Marco Klein bilden Sie seit mehreren Jahren ein erfolgreiches Team. Welche Entwicklung haben Sie persönlich an diesem Quartier genommen, sportlich und persönlich?

Tommaso Scardino: Ich sage mal so, ich bin als Junge, der keine speziellen Ziele hatte und noch keinen richtigen Weg hatte, gekommen und bin zum Erwachsenen gereift, der dafür kämpft, was er sich vorgenommen hat. Ich habe mich sowohl als Mensch als auch als Sportler weiterentwickelt. Und ich habe andere Ansichten auf viele Dinge als in der Vergangenheit. Ich habe gelernt, dass man eben nur Erfolg hat, wenn man auch etwas dafür tut, und das versuche ich stets. Ich habe hier meinen Lebensmittelpunkt gefunden und bin stolz auf die Entwicklung.

„Der Trainer arbeitet stets pro Pferd“

Was zeichnet den Trainer aus?

Tommaso Scardino: Der Trainer zeichnet sich dadurch aus, dass er stets pro Pferd arbeitet und auch auf die Aussagen der Arbeitsreiter eingeht, nur so kann man schließlich erfolgreich zusammenarbeiten und das Beste aus den Pferden herausholen. Es wird individuell auf die Pferde eingegangen, auch wenn das bedeutet, dass ein Lot manchmal nur mit einem Pferd auf die Bahn geht (siehe Lommerzheim). Das kann bei manchen Pferden hilfreich sein. Sicher ist man auch ab und zu unterschiedlicher Ansicht, aber das tut der Arbeit keinen Abbruch und ist auch normal.

Auktionsjährling Kreuzberg im Portrait
Auktionsjährling Kreuzberg im Portrait am 16.08.2022 im Gestüt Ohlerweiherhof

Wie sehen Sie die Perspektiven des Stalles? Es hat ja wieder sehr ordentlichen Zuwachs gegeben. Wer sind Ihre Hoffnungsträger?

Tommaso Scardino: Wir haben wieder einige junge Pferde hinzubekommen, und alle Jährlinge bzw. jetzt Zweijährigen machen einen sehr guten Eindruck, sind bereits unter dem Sattel im Training.

Bei den jetzt zweijährigen Hengsten würde ich Kreuzberg nennen, der bereits einen tollen Körperbau hat und weit entwickelt ist. Bei den Stuten ist die Wahl etwas schwieriger. Redrose Jazz ist bereits sehr weit, genauso wie Kanzashi, auch Alive macht einen guten Eindruck.

Ansonsten haben sich Ikarus von den Dreijährigen und Pandora in den letzten Wochen sehr gut entwickelt. Aber es ist immer schwierig so frühe Prognosen abzugeben. Von Bavaria Iron erwarte ich in diesem Jahr auch noch eine Steigerung, wenn er gesund bleibt. Er ist nicht sonderlich groß, aber wesentlich mehr Pferd als vergangenes Jahr und hat ein großes Kämpferherz.

Bavaria Iron siegt unter Tommaso Scardino
Bavaria Iron siegt unter Tommaso Scardino am 22.01.2023 in Dortmund

Mannheim ist von den meisten Großbahnen, außer Iffezheim, weiter entfernt. Wird man Sie auch in Frankreich verstärkt im Einsatz sehen?

Tommaso Scardino: Ich denke, wir werden auch künftig vermehrt in Frankreich starten. Zum einen, weil wir aktuell die Pferde dazu haben und zum anderen weil die Auswahl bei den Auktionen oft auf französische Inländer gefallen ist. Das bietet sich dann natürlich an.

Fußball und Fitness-Studio sind angesagt

Wie halten Sie sich körperlich fit? Und wie hart ist der Kampf ums Gewicht?

Tommaso Scardino: Ich gehe im Allgemeinen einmal die Woche mit ein paar Kumpels Fußball spielen, das macht Spaß und bringt Kondition. Ansonsten gehe ich ins Fitness-Studio oder im Sommer draußen laufen. Der Kampf um das Gewicht ist nicht immer einfach, gerade weil ich sehr groß bin für einen Rennreiter, aber ich gebe mein Bestes, um so viel wie möglich reiten zu können. Im Winter fällt es einem natürlich schwerer, weil man nicht mal bei der Arbeit schwitzt.

Tommaso Scardino mit seinem Hund
Tommaso Scardino im Portrait

Ich muss natürlich vor den Renntagen in die Sauna und mein Essen auf leichtere Sachen, wie Fisch, beschränken. Dafür darf es nach den Renntagen gerne etwas Fettiges sein (lacht).

Wie hat sich das Leben für Sie als Familienvater verändert? Und welchen Anteil hat Ihre Familie an Ihren Erfolgen?

Tommaso Scardino: Um ehrlich zu sein, fühle ich mich sehr wohl als Familienvater. Zu Beginn war es natürlich eine Umstellung, weil man nicht wusste, was der Kleine möchte, wenn er schreit, aber das haben wir schnell in den Griff bekommen. Mit Matteo haben wir auch sehr viel Glück gehabt, er ist ein ganz liebes und lebensfrohes Kind, der einen jeden Tag zum Lächeln bringt.

Ich fühle mich angekommen, und daher hat meine Familie einen großen Anteil an meinen Erfolgen.

Es reitet sich schließlich leichter, wenn du das Gefühl von Sicherheit hast und den stetigen Rückhalt spürst.

Haben Sie noch Kontakt zu Freunden oder Familie in Italien? Wie sieht es im italienischen Rennsport aus?

Tommaso Scardino: Ja natürlich, ich telefoniere regelmäßig mit meinen Freunden, die ich bereits über 20 Jahre kenne. Ebenso mit meiner Schwester und meiner Mutter, die ja in Italien leben.

Meinen Vater sehe ich jeden Tag, da er bei uns am Rennstall arbeitet. Der Rennsport in Italien ist wie in den vergangenen Jahre rückläufig.

Daniele Porcu, Tommaso Scardino und Francesco Ladu
Daniele Porcu, Tommaso Scardino und Francesco Ladu im Portrait

Welches Rennen steht auf Ihrem Wunschzettel ganz oben?

Tommaso Scardino: Natürlich das Deutsche Derby. Wer träumt denn schon nicht davon? Aber ich würde gerne den Premio Pisa in Italien gewinnen. Es ist zwar „nur“ ein Listenrennen, aber als dort Geborener wäre es natürlich sehr schön für mich.

sofern es die Zeit um den Rennsport zulässt, sehr gerne unterwegs oder gehen gemütlich etwas essen.

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Michael Hähn
Michael Hähn
Unser Autor Michael Hähn arbeitet als freier Journalist in Baden-Baden. Der Galopprennsport ist seit vielen Jahren sein Metier, und seine Leidenschaft sind Rennveranstaltungen in Deutschland und auf der ganzen Welt.

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