In den USA wird George H.W. Bush zum Präsidenten gewählt und in der UdSSR setzt Michail Gorbatschow seinen Weg der Reformen fort. Die olympischen Spiele in Seoul, Südkorea finden statt und Benazir Bhutto wird die erste weibliche Premierministerin Pakistans. „Don’t Worry, Be Happy“ von Bobby McFerrin erklimmt die Charts und „Sweet Child O‘ Mine“ von Guns N‘ Roses erobert die Musikszene. Der erste Computerwurm erschreckt die PC-Nutzer und infiziert weltweit 10% aller Geräte. Loriots Ödipussi kommt gleichzeitig in die ostdeutschen und westdeutschen Kinos. Und was geschah im Rennsport 1988?
Am 15. März startete Charter Party, geritten von Dunwoody, mit einer Quote von 10/1 in das 61. Rennen des Cheltenham Gold Cups. Da Desert Orchid in die Queen Mother Champion Chase geschickt wurde, war der Favorit des Rennens Play School, ein in Neuseeland gezüchteter Wallach, der seit seiner Übersiedlung nach Großbritannien das Welsh National und den Vincent O’Brien Gold Cup gewonnen hatte. Dunwoody setzte Charter Party knapp hinter die führende Gruppe, während Beau Ranger das Tempo vorgab. Am Ende des ersten Umlaufs hatte sich Golden Friend vor Cavvies Clown und Run and Skip an die Spitze gesetzt, während Charter Party auf dem fünften Platz lag. Cavvies Clown bog schließlich mit einer Länge Vorsprung vor Charter Party auf die Zielgerade ein. Am vorletzten Hindernis machte er einen Fehler und Charter Partys Stunde hatte geschlagen. Er übersprang das letzte Hindernis in Führung liegend und behielt seinen Vorsprung auf der Zielgeraden bei und gewann mit sechs Längen Vorsprung.
Die BBC übertrug das Grand National zum neunundzwanzigsten Mal in Folge im Rahmen ihres regulären Samstagnachmittagsprogramms in einem Grand National Special live im Fernsehen. Das Rennen wurde von Rhyme ’n‘ Reason in einer Zeit von neun Minuten und 53,5 Sekunden mit einem Abstand von vier Längen gewonnen. Durham Edition war Zweiter, Monamore Dritter. West Tip wurde Vierter. Der 17/2-Favorit Sacred Path stürzte am ersten Hindernis. Neun der 40 Läufer beendeten das Rennen, es gab keine ernsthaften Verletzungen bei den Reitern, aber Smith’s Man brach sehr schwer zusammen und wurde einige Tage später eingeschläfert.
Winnin Colours war eine riesige Stute, die bereits früh gegen die Hengste antrat und das das Santa Anita Derby mit sagenhaften 7½ Längen gewann. Für das Kentucky Derby wurde sie gegen ein hervorragendes Feld von Hengsten geschickt, darunter Risen Star, Seeking the Gold, Forty Niner, Regal Classic und der Mitfavorit Private Terms. Wie üblich brach Winning Colors schnell nach vorne und ging an die Spitze. Obwohl Forty Niner auf der Zielgeraden angriff, hielt sie ihn auf Abstand und gewann mit einem Hals. In den Preakness Stakes, der zweiten Etappe der U.S. Triple Crown, wurde Winning Colors Dritte hinter Risen Star, der dann die 1½ Meilen langen Belmont Stakes mit fünfzehn Längen Vorsprung gewann, während Winning Colors aus dem Geld ging. Ihr nächster großer Kracher war der Breeders‘ Cup Distaff. Winning Colors lag 10 Yards vor dem Ziel in Führung, als Personal Ensign, die während des gesamten Rennens aufgrund der schlammigen Strecke Probleme hatte, sich noch einmal aufrappelte und mit einem Vorsprung gewann, den die U.S. Racing Hall of Fame als „Lippe“ bezeichnet. Nach dem Rennen sagte der Trainer von Winning Colors, D. Wayne Lukas, dass sie das beste Rennen ihrer Karriere gelaufen sei.
Am 1. Juni startete Kahyasi in Epsom als 11/1-Favorit in einem vierzehnköpfigen Feld beim 209. Epsom Derby. Er trug die zweiten Farben des Aga Khan, wobei die ersten Farben von Walter Swinburn auf dem 2000 Guineas-Sieger Doyoun getragen wurden. Kahyasi kam langsam in die Gänge und wurde in der Anfangsphase von Cochrane aufgehalten, bevor er auf der Geraden stetig vorankam. Eineinhalb Längen vor dem Ziel übernahm er die Führung und gewann mit weiteren eineinhalb Längen Vorsprung vor Glacial Storm, während Doyoun Dritter wurde. Ende des Monats ging Kahyasi als Favorit in das Irish Derby auf dem Curragh. Auf halber Strecke schien er Probleme zu haben und lag auf der Zielgeraden immer noch weit zurück. Mit einem starken Ritt von Cochrane holte er auf den letzten Metern den lange Zeit führenden Insan ein und gewann mit einem knappen Vorsprung. Später wurde bekannt, dass er während des Rennens von einem anderen Pferd angaloppiert worden war und trotz einer Beinverletzung gewonnen hatte.
Das Deutsche Derby 1988 sah sich bereits im Vorfeld mit dem Schinken-Skandal konfrontiert, als ein paar feuchtfröhlich feiernde Jockeys mehrere 15 kg Schinken aus einem Imbisswagen entwendeten. Die Schinkensache hatte für einen von ihnen ein Nachspiel – und das war gewaltig. Olaf Schick, seines Zeichens ein Schinkendieb, wurde eiskalt von seinem Derbyritt entbunden und fix Walter Swinburn verpflichtet, der den Außenseiter Luigi reiten sollte. Ein 260 zu 10 Außenseiter, der dann plötzlich zum Derbyruhm kam, indem er Alte Zeit und Alkalde schlug. Immerhin, Besitzer Dietrich von Boetticher bereute es am Ende doch, Olaf Schick von Luigi gesetzt zu haben, denn er verdankte ihm im Vorfeld viel. In seiner Derbyrede würdigte er den Schinkendieb entsprechend.
1987, im Alter von vier Jahren, gewann Tony Bin einige der prestigeträchtigsten Gruppe-1-Rennen Italiens, darunter den Gran Premio del Jockey Club, den Premio Presidente della Repubblica und den Gran Premio di Milano, wobei er die beiden letztgenannten Rennen 1988 erneut gewann. Man schickte ihn also zu Rennen nach Frankreich und England, wo er 1988 Zweiter im Grand Prix de Saint-Cloud und Dritter hinter Mtoto in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes 1988 wurde. Im Oktober schlug er Mtoto in Frankreichs prestigeträchtigstem Rennen, dem Prix de l’Arc de Triomphe. Am Ende der Saison 1988 wurde Tony Bin offiziell als gleichwertiger Rivale von Mtoto als bestes älteres männliches Pferd in Europa eingestuft, ein Pfund hinter der Stute Miesque. Auch Timeform konnte Tony Bin und Mtoto nicht auseinanderhalten und bewertete beide Pferde mit 134 Punkten.
1988 gewann die riesige Empire Rose am Samstag, dem 29. Oktober, die Mackinnon Stakes und unternahm am darauffolgenden Dienstag, dem 1. November ihren dritten Versuch, den Melbourne Cup zu laufen. Der junge Reiter Tony Allan hatte die Stute die ganze Zeit gut im Griff, und sie führte das große Feld um die Zielkurve. Trotz eines fulminanten Endspurts von Natski gab Empire Rose nicht auf und gewann mit einem knappen Vorsprung auf der Ziellinie. Natskis Hinterteil war Empire sogar voraus, was ihre Größe unterstrich. Sie wurde für ihren Sieg begeistert gefeiert, denn es war das erste Mal seit 23 Jahren, dass eine Stute das Rennen gewonnen hatte – zuletzt die Neuseeländerin Light Fingers.