In diesem Artikel geht es um Suffragetten und um das Epsom Derby des Jahres 1913. Auch der englische König spielt eine Rolle. Das mag im ersten Moment verwundern, doch es handelt sich um eine Story, die in die Geschichtsbücher eingegangen ist – nicht nur in die des Galopprennsports. Zuerst muss natürlich die Definition des erstgenannten Wortes erfolgen, ehe wir auf das eigentliche Ereignis näher eingehen und auf Emily Wilding Davison berichten.
Über Suffragetten
Suffragette ist ein Wort, welches man in unserer heutigen Zeit kaum noch hört und das aus diesem Grund vermutlich nicht von allen Lesern direkt verstanden wird. Mit viel Fantasie kann man von einer Feministin sprechen, aber das trifft es nicht ganz. In einer Zeit, in der die Frauen in den Industrieländern keine Rechte hatten, wollten einige etwas verändern. Und das waren die Suffragetten. Sie waren organisierte Frauenrechtlerinnen Anfang des 20. Jahrhunderts und es gab sie unter diesem Namen in Großbritannien und in den USA. Sie waren dafür bekannt, passiven Widerstand zu leisten und sie setzten sich zum Beispiel mit einem Hungerstreik für ein allgemeines Wahlrecht für Frauen ein. Wichtig: es gab viele Störungen öffentlicher Veranstaltungen durch diese Damen, die es verstanden, Aufmerksamkeit zu erregen. Und genau davon handelt dieser Artikel.
Über Emily Wilding Davison
Im Mittelpunkt des nachfolgend beschriebenen Ereignisses steht Emily Wilding Davison, geboren am 11. Oktober 1872 in Blackheath. Sie war eine englische Suffragette, die für ihr militantes Vorgehen bekannt und berüchtigt war. Sie wurde achtmal inhaftiert, unter anderem für Vergehen wie Strafvereitelung, Körperverletzung, Steinewerfen, Zerschlagen von Fensterscheiben und das Anzünden von Briefkästen. Im Gefängnis verbarrikadierte sie sich in ihrer Zelle, beteiligte sich an Hungerstreiks, wurde zwangsernährt und versuchte einen Suizid, um gegen die Misshandlung der mitinhaftierten Suffragetten zu protestieren. Nach ihrem Tod galt sie als Märtyrerin der Frauenrechtsbewegung. Ihr Leben ist im Jahr 2015 verfilmt worden. Titel des Filmes: Suffragette – Taten statt Worte.
Suizid auf der Rennbahn
Am 4. Juni 1913 erhielt Davison von den WSPU Büros zwei Flaggen mit den Suffragettenfarben Lila, Weiß und Grün. Sie reiste dann mit dem Zug nach Epsom, Surrey, um das Derby zu besuchen. Sie positionierte sich in der Tattenham Corner, der letzten Kurve vor der Zielgeraden. Zu diesem Zeitpunkt des Rennens, nachdem einige der Pferde an ihr vorbeigekommen waren, duckte sie sich unter die Leitplanke hindurch und rannte auf die Bahn. Möglicherweise hat sie eine der Suffragettenfahnen in den Händen gehalten. Sie wurde von Anmer – dem Pferd von König George V., das von Herbert Jones geritten wurde – umgerannt. Anmer fiel bei der Kollision und rollte teilweise über seinen Jockey, der seinen Fuß kurz im Steigbügel gefangen hatte. Davison wurde bewusstlos zu Boden geworfen. Einige Berichte besagen, dass sie von Anmer an den Kopf getreten wurde, aber der Chirurg, der Davison operierte, erklärte, dass „ich keine Spur davon finden konnte, dass sie von einem Pferd getreten worden ist“. Das Ereignis wurde mit drei Nachrichtenkameras festgehalten
Tod beim Epsom Derby 1913
Davison zog sich schwerste innere Verletzungen und einen Schädelbruch zu. Sie starb vier Tage später im Epsom College Hospital, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Es gibt Vermutungen, dass sie mit dem Sturz des königlichen Pferdes für die Einführung des Frauenwahlrechtes demonstrieren wollte, doch es bleibt unklar, ob dies als Suizid gedacht war. Nach ihrem Tod wurde Davison von ihren Mitstreiterinnen wie erwähnt als Märtyrerin verehrt. Emily Davison wurde auf dem Friedhof St Mary’s in Morpeth begraben. Die Inschrift ihres Grabsteins lautet Deeds, not words („Taten, nicht Worte“).
Was ging in ihrem Kopf vor?
Was hat die junge Frau angetrieben? Es soll außer Zweifel stehen, dass sie bereits Wochen zuvor den Plan gefasst hatte, sich an diesem Tag vor die Pferde zu stürzen. Wusste sie, dass sie sich damit umbringen würde? Sie hat es zumindest in Kauf genommen, und dies, um Aufmerksamkeit für ihre Sache zu erregen. Und das ist ihr gelungen, sie ist in Erinnerung geblieben. Dennoch war es eine schlimme Entscheidung.
Über Anmer
Der Hengst Anmer aus dem Besitz des Königs von England gilt seit diesem Vorfall als eine Fußnote in der britischen Geschichte. Und wir sprechen hier nicht von der Geschichte des Rennsports. Der damals Dreijährige hatte seinen Namen nach einer kleinen Ortschaft in Norfolk. Er war ein riesiger Außenseiter im Derby, hatte zuvor im April ein Rennen gewonnen und war im Anschluss Zweiter. Er lag zum Zeitpunkt des Unfalls weit hinten und hatte keine Möglichkeiten mehr auf einen Platz weiter vorne. Nach dem Vorfall lief er vier weitere Male im Jahr 1913 und zeigte anständige Formen, zum Sieger wurde er aber nicht. Auch ein Jahr später konnte er bei sechs Starts nicht gewinnen. Im Jahr 1916 wurde er dem Department of Agriculture in Ontario als Geschenk des Königs überstellt. Er war Teil eines Programms, mit dem die Qualität der lokalen Pferde erhöht werden sollte. Anmer war dabei recht erfolgreich, was sich daran zeigt, dass er in Kanada zweimal zum besten Deckhengst gekürt wurde.