Warum?

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Warum ist eine berechtigte Frage, denn die stelle ich mir GANZ oft, wenn ich das ein oder andere Pferd auf der Rennbahn sehe. Warum? Muss das wirklich sein? Nein, keine Sorge, ich bin nicht unter die Tiersch(m)utzmenschen gegangen, aber ich sehe sie immer wieder: Die Pferde, wo man sich sicher sein kann: Die laufen nicht ins Geld, die haben keinen Spaß – wa soll das denn? Kann man sich dann nicht einfach trennen, wenn es nicht passt? Warum muss ein Pferd dem Ehrgeiz des Besitzers folgen?

Wir hatten früher eine kleine Galopperstute mit viel Vermögen. Gut gezogen, leicht händelbar, nettes Tierchen eben. Bis man wirklich anfing mit der zu arbeiten und Arbeiten zu reiten. Die stand morgens, wenn man gemistet hat schon zitternd in der Boxe, als man wirklich Arbeit von ihr verlangte. Und wir vermerken hier mal: Die wurde nicht geprügelt oder sonst was. Die ging nur auf die Bahn und mal etwas zügigeren Canter. Oder mal in die Startmaschine um zu gucken.

Sie war nervlich der Sache überhaupt nicht gewachsen. Ein Versuchsrennen auf der heimatlichen Bahn, viele versemmelte Arbeiten, wo sie kopflos los schoss und sich weder von Jockey noch Arbeitsreiter beruhigen ließ und man zitierte den Besitzer her: „Das geht nicht. Die packt das nicht.“ Der Besitzer nahm sie mit, zog ein nettes Fohlen draus und verkaufte beide. Auf Facebook habe ich Fotos gesehen, wo Kinder sie geritten haben. Ihre Nachkommen sehen aber vermutlich nie eine Bahn, die macht ganz schaurige Füße.

Happy End. Manche Pferde haben es halt nicht.

Ein anderes Pferd. Nett. Nervlich super. So schnell wie meine Oma mit Rollator. Verstand auch gar nicht, was sein Job ist. Wenn’s nach ihm ging? Schmusen. Oh, und rumalbern. Kann er.  Schön aussehen auch. Einmal versucht. Da hat er spontan überlegt, dass es reicht, wenn er einen im Feld überholt. Beim nächsten Rennen hatte er das mit dem Überholen schon wieder vergessen und war durch nichts auf der Welt dazu zu bewegen, sich irgendwie schneller als die Konkurrenz zu bewegen. Wohin ging der am Ende? Kein Scheiß: In die Reitschule. Beliebtestes Reitabzeichenpferd ever. 

So kenne ich das auch von Dressurpferden in meinem Bekanntenkreis, Springpferden oder sonst was. Was darauf schließen lässt, dass entweder mein Bekanntenkreis nicht groß ist oder die Leute einfach bekloppter werden. Wenn man nämlich ein bisschen die Augen aufmacht, sieht man auch auf der Rennbahn leider häufiger überforderte Pferde. Wo Besitzer nicht akzeptieren, dass sie da keinen Gruppecrack im Stall stehen haben. Ja, noch nicht mal ein Rennpferd – vom Können und von der Mentalität her. 

Da frage ich mich schon: Warum? Warum muss man mit diesem Pferd auf Teufel komm raus an Rennen teilnehmen, die es nicht gewinnen kann oder will. Man demotiviert das Pferd sowieso schon, wenn man es vor unlösbare Aufgaben stellt und manchen reicht es schon, dass sie überhaupt laufen müssen. Nur weil man einer langen Ahnenreihe von Rennpferden abstammt, gewinnt man halt keinen Blumentopf. Sonst wäre Rennpferde züchten sehr einfach. Immer nur die Besten verpaaren, dann kriegt man auch das beste raus? Nope. Läuft so nicht. Ist ja auch keine Schande. Es sind nicht alle Pferde für alle Sparten geeignet. Egal, ob sie dafür gezogen sind.

Wir hatten auch früher ein super nettes Schulpferd in der Reitschule. Der hat so vielen Kindern das Reiten beigebracht. Springen brauchte man mit dem aber nicht. Nicht mal eine Stange. Da haben sich Cracks die Zähne dran ausgebissen, dieses ehemalige Springpferd wieder auf Springkurs zu bringen. Horsemanship, S-Springreiter, Stöckchenwedler … nichts. Der war nicht mehr kontrollierbar wenn der ein paar bunte Stangen sah. Er drehte völlig auf, Puls hoch, Atmung auf Pump geschaltet und Denken aus. Zu gut erzogen, um sich ganz zu verweigern, aber zu hirntot in diesem Moment um sich mit den Sachen auseinander zu setzen. 

Es funktioniert mit manchen Pferden nicht, auch wenn man es selbst gerne will. Aber es nützt gar nichts, wenn das Pferd nur noch unter totalem Druck steht. Das macht niemandem Spaß. Am Allerwenigsten dem Pferd. Sondern von einem Zustand, in dem nichts mehr irgendwie geht. Wo es teilweise auch gefährlich wird. Da kann ich nicht verstehen, wie irgendwelche Besitzer meinen, dass DIESES Pferd (war ja teuer) unbedingt weiter und weiter versuchen muss, den lokalen Ausgleich IV für zwei Mark fuffzig zu gewinnen, wenn das Pferd danach drölf Tage Wellness braucht, damit es überhaupt erst wieder ansprechbar ist. 

Leistung gibt es nur mit ausgeglichenen Pferden. Die auch an fremden Orten ausgeglichen laufen können. Nur weil das Pferd Zuhause ruhig und lieb ist, muss es das eben nicht woanders auch sein. Eine gesunde: Scheißegal-Einstellung ist auch beim Pferd wichtig. Manche Pferde haben es nicht. Wie die kleine Galopperstute. Das sollte man dann auch respektieren.

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Nika S. Daveron
Nika S. Daveronhttp://www.arschlochpferd.de
Achtung, dieser Post könnte Meinung enthalten. Meine Meinung. Gestatten, Nika S. Daveron. Autorin und Turfteufel in einer Person. Sie finden mich auf der Rennbahn, in einem meiner Bücher oder auf Arschlochpferd.de.

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