Auch der Rennsport muss sich die Frage nach der Nachhaltigkeit stellen. Das Thema ist schließlich in aller Munde und es ist nur fair. Allerdings müssen wir das auf einem ganz anderen Level tun, als Plastikstrohhalme durch Papierstrohhalme zu ersetzen (was nebenbei bemerkt echt eklig schmeckt, da verzichte ich lieber ganz auf den Strohhalm). Nein, es ist Nachhaltigkeit bei unseren Hauptakteuren gefragt. Da hat sich zwar in letzter Zeit eine Menge getan – aber am Optimum sind wir noch lange nicht. Nicht, solange alle Akteure nicht verinnerlicht haben, dass das Pferd auch nach seiner Rennkarriere zum Aushängeschild wird. Vorzugsweise bei Freizeitreitern – denn nicht jedes Rennpferd geht ins Gestüt oder bleibt bei seinem Besitzer. Das danach interessiert aber oft nicht. Vielleicht stellen sich das manche auch gar nicht so recht vor – ganz ohne böse Hintergedanken oder Ignoranz. Aber was passiert da?
Nun wird also ein Rennpferd verkauft. Ausgeschieden aus dem Rennsport wegen ein paar Zipperlein. Vielleicht auch komplett unerkannt und einfach als “ausgemustert” definiert. Hat keiner richtig draufgeschaut. Nun kauft dieses Pferd jemand. Meist eine junge Frau. Im Rennsport nennen sie sie abfällig Pipimäuse oder Wendy – auch eine Unsitte. So hat man doch richtig Bock uns die überschüssigen Rennpferde abzunehmen, die wir nicht lebenslang aushalten wollen und können. Die neue Besitzerin stellt das Pferd schnell auf den Kopf, denn es zeigt einige Auffälligkeiten. Und stellt fest: Das Pferd ist nicht gesund. Ja, mehr noch, es ist eine Großbaustelle. Was passiert jetzt? In ihrem Umkreis wird also ein Klischee bestätigt: “Rennpferde sind ja alle mit sechs Jahren kaputt.” – “Ich kenne nur kaputte Rennpferde.” Dabei ist egal, ob die nur ein Pferd kennen – das Geschwätz verbreitet sich trotzdem.
Es reicht mitnichten zu sagen: Hier ist das Karriereende – ich geb mal weiter, soll sich wer anders mit rumärgern und sich totdiagnostizieren, warum das Pferd eigentlich auf der Bahn nicht so der Kracher war (und ja – es gibt auch kerngesunde Pferde, die einfach nur ihren Job nicht mögen). Ja, wir sind alle in der Pflicht, diese Pferde bestmöglichst zu behandeln, zu pflegen, zu halten, zu füttern, zu reiten. Tun wir das nicht – weil wir meinen: Ach, wird schon, das schadet sicher nicht und dem Pferd tut doch jetzt nichts weh, sind wir schlichtweg ignorant. Wir signalisieren: Soll sich doch die nächste Pipimaus drum kümmern, die den Gaul bekommt. Aber hier und jetzt war das für den Sieg wichtig. Für’s Pferd war’s jetzt nicht so cool, aber come on – wir sind hier im Rennsport. Jeder Fehler, der bei uns gemacht wird – den badet in der Regel jemand aus, dem man es auch vielleicht nicht erklären kann – weil er gar nichts mit Rennsport zu tun hat.
Wir leihen uns die Schnelligkeit des Pferdes, für den Ruhm, den Glanz, den Spaß. Es ist also nur fair, wenn wir auch danach unsere Pflicht übernehmen, wenn es uns das nicht mehr geben kann. Schließlich ist das Pferd kein Wegwerfartikel. Wir üben einen Sport mit ihnen aus, der sowieso nicht ungefährlich ist – da ist es das Mindeste, wenn wir bis zum Handschlag auch alles dafür getan haben, dass es dem Pferd weiterhin gutgehen kann.