BBAG Vollblut-Auktion für Anfänger

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Morgens halb 5 in Deutschland; in München klingelte mein Wecker. Die Tasche war bereits gepackt und der Pferdehänger hing startklar am Auto. Mein Ziel: Die BBAG Vollblutauktion in Iffezheim. Ich hatte schon viel von der legendären Auktion gehört, war aber selbst noch nie dagewesen. Oder auf sonst auf Auktion; zumindest nicht mit der ehrlichen Absicht ein Pferd zu kaufen.

Ich hatte zwei Punkte auf meiner “Shoppingliste”. Zum einen suchte ich schon seit Monaten nach einem geeigneten Zweitpferd für die Vielseitigkeit: 3 bis 5 Jahre, ab 165 cm, gesund, klar im Kopf und mit schönen Bewegungen. Diese im Reitsport gefragte “Knieaktion” wird im Rennsport gerne auf tiefem Boden eingesetzt. Gerne sollte er oder sie gute Springer in der Ahnentafel haben: Acatenango, Surumu, Lord of England oder High Chaparral haben durchaus erfolgreiche Nachkommen im Parcours. Ich hatte in den letzten Monaten mehrere vielversprechende Kandidaten entdeckt, doch die Besichtigungen liefen geradezu skurril schlecht (die reservierte Box in der letzten Minute weitergegeben, Corona Shut Down, Auto kaputt, Einreiseverbot). Es war, als wolle mir das Schicksal sagen: Kauf kein 2. Pferd. Oder: Warte auf die BBAG?!

Besichtigung
Besichtigung

Zudem wollte ich die Augen aufhalten nach einem sympathischen Freizeitpferd. Ich hatte gehört, dass längst nicht jedes Pferd der Auktion einen neuen Besitzer findet und einige zum Mindestpreis von 1.000 € weggehen. Sollte unter diesen “Unerwünschten” ein nettes Freizeitpferd sein, wollte ich ihn oder sie mitnehmen, zuhause kennenlernen, nett fotografieren/ filmen und ein schönes Heim suchen.

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Tag 1: Besichtigung

Ich hatte meine Reise und meine Pläne vorab auf “Ein Rennpferd geht in Rente” kommuniziert in der Hoffnung, noch weitere zivile Käufer für die Auktion und die uninteressanten Rennpferde zu begeistern. Dass mich auf der Fahrt nach Iffezheim diverse Leser anschrieben und um Hilfe bei der Akkreditierung baten, fand ich irgendwie beruhigend. Scheinbar war ich nicht die Einzige, die auf der Website erfolglos einAnmelde-Formular gesucht hatte. Es gehört wohl zum Grundwissen eines Vollblutbesitzers, dass man sich mit einer formlosen Email und dem ausgefüllten Hygiene-Formular anmeldet.

BBAG Vollblutauktion

In Iffezheim angekommen, hieß es erstmal durchatmen und staunen. Die elegante Auktionshalle die von weitläufigen Stallungen eingerahmt wurde: Ein mehr als beeindruckender Anblick. Auf dem Gelände angekommen, musste ich mich erstmal orientieren. Eine nette Dame wies mir die Richtung zum Auktionsbüro, wo ich den Auktionskatalog bekam. Dann hieß es rauszufinden, wo welches der 350 Vollblutpferde untergebracht war.

Auf der Auktion verkauften vor allem die renommierten Gestüte. So entschied ich spontan, das jeweilige Auktionsteam anzusprechen und mich beraten zu lassen: Welche Pferde passen grob in mein Budget (< 10.000€) und bringen die gewünschten Rahmendaten (Alter/ Größe) mit? Es folgten viele wunderschöne Stunden mit vielen wunderschönen Pferden. Im Reitsport vergisst man manchmal, dass wir “nur” die absortierten Pferde abbekommen – jene Pferde, die wirklich völlig ungeeignet für den Rennsport sind. Die Qualität der Pferde in Iffezheim war atemberaubend.

Tag 2: Auktion für Anfänger

Marsianer - ein ubüblich großer Zweijähriger1
Marsianer – ein ubüblich großer Zweijähriger1

Auch wenn ich keinen Jährling wollte, dass ich Freitagvormittag brav zum ersten Pferd in der Auktionshalle. Ich wollte mir das Geschehen ansehen und die “Spielregeln” der Auktion lernen. Doch erst einmal hieß es, betreten auf die Schuhspitzen zu schauen. Das Beherbergungsverbot war gerade erst gekippt wurden und die Anzahl der Leute vor Ort überschaubar. Die Kauflust auch. Die ersten Pferde gingen unverkauft aus dem Ring. Lot 5 und 6 gingen zum Mindestgebot von 1.000€. Bei Lot 13 gab es erstmals mehrere Gebote: die kleine namenlose Stute ging für 3.000€ aus dem Ring.

In den folgenden Stunden lernte ich eine ganze Menge: Leider auch, dass die Preise auf der Auktion kaum vorhersehbar sind. Eine schöne Stute, die mir knapp über Mindestpreis angekündigt wurde, wechselte für 14.000€ den Besitzer. 3 sympathische Wallache, die mir 5-stellig angekündigt wurden (2 davon wurden mir nicht einmal gezeigt, da eh zu teuer), gingen für 3.000€, 4.000€ und 4.500€.

Süsses Stütchen, aber leider sooo klein. 4 Jahre. Für 1.000€ verkauft
Süsses Stütchen, aber leider sooo klein. 4 Jahre. Für 1.000€ verkauft

Vor diesem Hintergrund fand ich das Thema Gesundheit schwierig. Im Reitsport wechseln kaum Pferde ohne Ankaufsuntersuchung (auch “TÜV” genannt) den Besitzer. Auf der Auktion kann man die Pferde natürlich vor ab (kostenpflichtig) vom Tierarzt checken lassen. Da diese jungen Pferde sportlich schon viel geleistet hatten, wollte ich mich nicht auf meine eigenen Hände und Augen verlassen. Andererseits lohnt sich der TÜV für ein Pferd nicht, das eh unbezahlbar ist.

Eine Zwickmühle, für die ich keine rechte Lösung wusste.

Im Laufe des Tages lernte ich auch, warum viele Besitzer mit ihren Pferden auf die Auktion fahren, die Familie im Saal verteilen und kritisch beobachten, wer bietet. “Lieber kaufe ich sie zurück, als dass sie in die falschen Hände kommt”, hatte noch am Morgen ein Besitzer erklärt. Besonders die Käufer aus dem Ausland schienen gefürchtet – nicht jeder wollte seinem Zucht-”Produkt” die weite Reise Richtung Osten zumuten. Wobei sich Corona diesbezüglich wohl als Vorteil erwies: Eine Besitzerin erzählte mir erleichtert, dass die üblichen Käufer aus Marokko dieses Jahr nicht vor Ort waren. Kauf-Interessenten aus England und Irland schienen hingegen ein Ritterschlag für die züchterische Leistung.

Den Sale Stopper des Tages verpasste ich leider – den schönen Jährlingshengst Meergott, der für 52.000€ verkauft wurde. Generell schienen die Adlerflug-Nachkommen auf der Auktion stark gefragt und die Bieter-Duelle waren durchaus sehenswert.

Tag 3: Und jetzt?

Der schöne Konko. Wow!
Der schöne Konko. Wow!

Am 3. Tag war ich ehrlich gesagt etwas ratlos. Ein “hochpreisiges” Reitpferd wollte ich nur nach einem Check vom Tierarzt kaufen – doch wen zum Henker sollte ich tüven lassen? Einige sehr unklare Beine und unsaubere Gangbilder hatte ich bereits selbst ausgesiebt. Ich fragte diverse Leute nach meinen beiden Favoriten: zwei wunderschönen, jungen, etwas größeren und elastischen Hengsten, die für die Vielseitigkeit keine Wünsche offen ließen. Beide wurden mir sehr hochpreisig angekündigt und so blieb ich bei einem sehnsüchtigen Blick. Wenig überraschen, dass die Prognosen auch 2. Auktionstag nicht eintrafen:

Highlight Nr. 1: Der 2jährige Fuchshengst Konko (v. Isfahan) ging für 10.000€ in den Rennstall Sascha Smrczek

Highlight Nr. 2: Der 3jährige braune Hengst Pretty Soldier (v. Soldier Hollow) wechselt für 8.500€ in den Rennstall Recke.

Zum Vergleich: Für ein junges, halbwegs vermögendes und Null ausgebildetes Vielseitigkeitspferd mit hohem Vollblutanteil zahlt man aktuell ab 15.000€ aufwärts. Wobei man fairerweise sagen muss, dass diese Pferde bis 3-jährig auf der Koppel standen und unverbraucht den Dienst antreten können. Aber ein gutes Vollblutpferd mit gutem TÜV …

Pretty Soldier
Pretty Soldier

Am 3. Auktionstag war deutlich mehr Publikum vor Ort und die Kauflust war sehr viel größer. Die Preise waren besser, die Laune bei Käufern und Verkäufern auch. Wobei auch heutige Pferde zum Mindestpreis von 1.000€ versteigert wurden. Einen bitteren Nachgeschmack hinterließ der Besitzer, der seine Jungstute mit einem auffälligen Bein über Agenten anbieten lies und mit regloser Miene zuschaute, wie sie den weiten Weg Richtung Osten antreten muss. Herzblut für Vollblut sieht anders aus. Rückgrat auch.

Fazit

“Auktion ist eine eigene und harte Welt”: Erst während der Auktionstage lernte ich, wie zutreffend diese Worte sind. Ich komme aus einer Welt, in der Pferdekauf ähnlich wie ein Vorstellungsgespräch läuft. Man schaut sich die ausgeschriebene Aufgabe an und probiert aus, ob man ihr gerecht wird. Man stellt sich dem Verkäufer ausgiebig mit allen Stärken und Schwächen vor. Und am Ende geht das Pferd an den qualifiziertesten Bewerber. Entsprechend mag man mir nachsehen, dass ich mich auf der ersten Auktion schwertat.

So Corona will, bin ich nächstes Jahr auf der Herbstauktion sicherlich wieder am Start. Die Veranstaltung ist von A bis Z ein Erlebnis: Viele tolle Menschen und viele tolle Pferde. Als AuktionsAnfänger mit Kauf-Absicht sollte man aber einen unabhängigen Berater mitnehmen, der einen durch diesen Dschungel navigiert. Ansonsten fährt man ohne Pferd wieder Heim: So wie ich und viele andere Kauf-Interessentinnen.

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Janina Beckmann
Janina Beckmannhttps://www.expertenmarketing-muenchen.de/
Unsere Autorin Janina Beckmann war lange Jahre als Sportjournalistin und später als PR Beraterin tätig, ehe sie eine eigene PR Agentur in München gründete. Ihre Leidenschaft für Vollblutpferde führte sie über die englischen und irischen Rennbahnen auf die Galopprennbahn Riem. Heute ist sie in der Vielseitigkeit aktiv.

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