Insider-Talk mit Gerald Geisler: „Grenznähe ist eine Qualität von Iffezheim“

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Die Grosse Woche in Baden-Baden steht vor der Tür, und natürlich wird auch Gerald Geisler bei den tollen Tagen in Iffezheim vertreten sein. Der aus Österreich stammende Coach ist seit vielen Jahren einer der erfolgreichsten Trainer in dem badischen Renndorf. 2023 läuft es besonders gut für ihn, denn das Vorjahresergebnis ist längst schon übertroffen. Gründe genug für ein Exklusiv Insider-Talk mit ihm auf dem RaceBets-Blog.

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2023 hatten Sie Ende Juli schon elf Siege auf ihrem Konto, zwei mehr als im ganzen Jahr 2022. Was sind die Gründe dafür? Und wie hat sich in diesem Jahr Ihr Pferdebestand verändert?

Gerald Geisler: Das vergangene Jahr war für unseren Stall ein Jahr des Umbruchs. Die älteren Pferde wurden durch junge ersetzt. Die jungen Pferde kamen erst im Laufe der Saison an den Ablauf und nahmen natürlich auch an weniger Rennen teil. Wir hatten daher insgesamt weniger Starts – und eben Siege. Die älteren Pferde waren zum Teil vom Handicapper erfasst. Auch von Verletzungspech blieben wir nicht verschont.

Gerald Geisler im Portrait am 29.03.2015 in Düsseldorf

Wirtschaftliche Komponente steht in Deutschland nicht im Vordergrund

Ihre Siege kamen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich zustande. Wo setzen Sie die Schwerpunkte? Und welche Pferde eignen sich für Expeditionen ins Nachbarland?

Gerald Geisler: Die Rennen der unteren Handicaps in Deutschland bieten keinen Anlass zu einer Teilnahme aus wirtschaftlichen Gründen. Für einige Besitzer steht deshalb auch nicht diese Komponente im Vordergrund, sondern die Möglichkeit, ihre Pferde vor Ort zu sehen und ein aktiver Teil des Renntages – eventuell sogar mit Erfolg gekrönt – sein zu können. Die potenziell lukrativeren Reisen nach Frankreich gestalten sich wiederum kostenintensiv, ich versuche deshalb möglichst nahe gelegene Rennbahnen auszuwählen, um die Fixaufwendungen nicht explodieren zu lassen.

Soziale Komponente und aktiver Rennsport-Zugang

Auch bei Ihnen sind mehrere Besitzergemeinschaften aktiv. Wie wichtig sind aus Ihrer Sicht diese Zusammenschlüsse von mehreren Eignern?

Gerald Geisler: Die soziale Komponente von Besitzergemeinschaften – gemeinsame Teilnahme an Renntagen, Freuen über Erfolge und Aufarbeiten von Niederlagen – ist eine tolle und bereichernde Sache. Außerdem sind die Erhaltungskosten für ein Rennpferd in den letzten Jahren exorbitant gestiegen, Besitzergemeinschaften erlauben also auch Menschen, die alleine nicht dazu in der Lage wären, einen aktiven Zugang zum Rennsport. Für die Breitenwirkung unseres Sportes ist dieser Aspekt nicht zu unterschätzen. Dennoch werden wir auch in Zukunft einzelne Besitzer brauchen und es bleibt zu hoffen, dass am Ende nicht nur einige wenige Große übrigbleiben.

Die neue Trainingsbahn in Iffezheim wird überall gelobt. Was ist aus Ihrer Sicht die große Verbesserung gegenüber früher?

Gerald Geisler: Ja, die Iffezheimer Sandbahn ist fantastisch. Ich bin nach wie vor begeistert von ihr. Sie verträgt enorm viel Niederschlag, selbst nach ergiebigem Regen bilden sich keine oder kaum Pfützen auf der Bahn.

Galopp am 16.10.2022 in Baden-Baden

Wie wichtig sind für Sie die Rennen vor der Haustür in Iffezheim? Und was schätzen Sie besonders an der Arbeit von Baden Galopp (Ihre Frau ist ja auch beim Rennveranstalter beschäftigt)?

Gerald Geisler: Die Rennen in Iffezheim hatten für mich, wie für jeden anderen in unserem Sport, immer schon eine große Bedeutung. Hier zu gewinnen ist nicht nur fürs Renommee wichtig. Nachdem ich 2010 begonnen habe, hier zu trainieren, ist die Bedeutung eines Sieges in Iffezheim noch einmal gestiegen. Ein Heimsieg ist immer etwas ganz Besonderes, und da spielt es keine Rolle, wie hoch das Rennen dotiert ist oder in welcher Klasse der Sieg gelingt.

Baden Galopp ist am besten Weg, das alte Flair nach Iffezheim zurück zu bringen. Ungeachtet der Top-Arbeit beim Veranstalten der Meetings, denken sie auch immer proaktiv. Das ist für uns ansässigen Trainer neben den Rennen von Wichtigkeit.

Die Pferde und Jockeys im Grosser Preis der Badischen Wirtschaft vor den Tribünen am 21.05.2023 in Baden-Baden

„Zu wenig Pferde in Iffezheim in Training“

Bedauerlich ist allerdings, dass wir hier trotz sehr guter Sandbahn zu wenig Pferde im Training haben. Traditionell lassen die großen Gestüte ihre Pferde auf anderen Rennbahnen trainieren. Ich würde mich freuen, wenn die betreffenden Entscheidungsträger sich während der Grossen Woche unsere Bedingungen ansehen und dann bei ihren Dispositionen fürs kommende Jahr Iffezheim vielleicht die verdiente Berücksichtigung schenken.

Wer sind die großen Hoffnungsträger für den Rest des Jahres?

Gerald Geisler: Die Zweijährigen entwickeln sich gerade gut, ich habe die Hoffnung, dass der eine oder andere darunter auch über Black Type-Qualitäten verfügt. Bei den dreijährigen und älteren Pferden werden wir uns hauptsächlich auf Ausgleichs-Ebene bewegen.

Was und wer ist Ihnen in der täglichen Arbeit besonders wichtig? Und welche Aufgaben nimmt Ihre Frau Eva am Stall wahr?

Gerald Geisler: Ich darf mich glücklich schätzen, seit Jahren zuverlässiges Stammpersonal und auch insgesamt ausreichend Personal am Stall zu haben. Gegenseitiger Respekt, Zuverlässigkeit, Loyalität sind die persönlichen Qualitäten, die mir bei der gemeinsamen Arbeit wichtig sind. Meine Frau hilft mir im Stall, beim Reiten der Arbeiten und, was wichtig, ist: Wir reden viel über unsere Pferde. Darunter verstehe ich auch konstruktive Kritik. Die Galopps reitet sie genauso, wie ich es mir wünsche.

Wie steht es eigentlich um den Rennsport in Ihrer früheren Heimat Österreich?

Gerald Geisler: Es gibt in Österreich keinen aktiven Rennbetrieb mehr. Die wunderschöne Freudenau böte zwar nach wie vor alle Möglichkeiten zur Veranstaltung von Renntagen, es finden sich nur leider keine Veranstalter dafür. Außer Markus Geisler und Frantisek Drozda arbeiten in Österreich meines Wissens keine aktiven Trainer mehr. Es ist wirklich ewig schade, dass diese Tradition so endet.

Northern Glory siegt unter Karoly Kerekes im Born Wild Steher-Preis, L. am 19.06.2011 in Ebreichsdorf

Was machen Sie eigentlich, wenn einmal Freizeit oder Urlaub angesagt ist?

Gerald Geisler: Der Rennsport ist meine Leidenschaft. Sowohl die Zucht als auch die Rennen. Er interessiert mich einfach und bereitet mir nach wie vor eine Riesenfreude – auch wenn diese durch den Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen gelegentlich eine Trübung erfährt. Neben den Pferden habe ich aber auch eine Vielzahl an anderen Interessen und bin zudem durch und durch ein Familienmensch. In Urlaub fahren wir berufsbedingt nur selten und wenn dann kurz.

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Michael Hähn
Michael Hähn
Unser Autor Michael Hähn arbeitet als freier Journalist in Baden-Baden. Der Galopprennsport ist seit vielen Jahren sein Metier, und seine Leidenschaft sind Rennveranstaltungen in Deutschland und auf der ganzen Welt.

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