Für jeden Tänzer ist die Bühne der Ort der Selbstverwirklichung, an dem Träume endlich wahr werden oder wie Seifenblasen zerplatzen können. „Die Bretter, die die Welt bedeuten“, sagt man in Tänzerkreisen, was eindrucksvoll die Hoffnungen und Wünsche verdeutlicht, die in jeder Sekunde harter Arbeit stecken. Für ein Rennpferd ist das Äquivalent wohl die Zielgerade der ganz großen Rennbahnen wie Ascot, Longchamp, Newmarket, Belmont oder Melbourne.
Eine kleinere, dagegen fast unspektakuläre Bühne ist die Rennbahn von München Riem. Aber mit dem großen Dallmayer Preis auf Gruppe 1-Ebene kann sie auch ein Sprungbrett für die berühmten Tanzpaläste der Welt sein.
Der vierjährige Wallach Danceteria tanzte sich in München in ganz beeindruckender Manier zum Ballkönig und damit auch zu seinem ersten Erfolg auf Gruppe 1-Parkett. Eine Darbietung wie diese sieht man nicht in jeder Broadwayshow: Danceteria ist ein Kandidat für die ganz großen Auftritte im Scheinwerferlicht der Turfwelt. Benannt nach einem der legendären und unvergessenen Nachtclubs im Manhatten der 80er Jahre, ist Danceteria prädestiniert für eine große Karriere als Tänzer – und als Rennpferd.
Danceteria (FR) wird am 7. Mai 2015 in Frankreich geboren, der Züchter ist Berend Van Dalfsen. Sein berühmter Vater ist der mehrfache Gruppe 1-Sieger und australische Champion Redoute‘s Choice (AUS), der leider im März dieses Jahres verstorben ist. Seine Mutter ist die in Frankreich siegreiche Bal de la Rose (IRE), eine Cadeaux Genereux-Tochter. Danceteria befindet sich seit Anbeginn seiner Karriere im Training bei David Menuisier in Pullborough, West Sussex in England, und steht im Besitz von Clive Washbourn und dem australischen Syndikat Australian Bloodstock.
Danceteria hat seinen ersten Auftritt vor großem Publikum im August 2017 im englischen Goodwood – leider mit einigen Anlaufschwierigkeiten. Vielleicht war es auch das bei Künstlern weit verbreitete Lampenfieber, das ihn als sechster von nur acht Startern ins Ziel kommen ließ, in einem Sieglosenrennen für Zweijährige. Danach lässt er ein wenig von dem großartigen Talent erahnen, das in ihm schlummert und darauf wartet, auszubrechen, als er im berühmten Ascot den dritten Platz,in einem Maidenrennen erreicht. Anschließend muss er aber noch zwei Niederlagen hinnehmen, denn noch stehen andere Stars an seiner Stelle im Scheinwerferlicht.
Der große Durchbruch gelingt dem Wallach am 7. Juni 2018 in Sandown, als er als 16:1-Außenseiter gewinnt. Endlich scheint der Bann gebrochen. Im Sattel sitzt Tanzpartner Fran Berry, der ihn auch zu seinen nächsten Shows begleitet. Gemeinsam treten sie als nächstes in Newmarket auf. Danceteria kann erneut über 2000 Meter als erstes die Ziellinie passieren.
Die nächste Darbietung findet ebenfalls, vier Wochen später, in Newmarket statt. In einem spektakulären Zweikampf setzt er sich leicht durch und macht sich langsam einen Namen in der englischen Turf- beziehungsweise Tanzszene. Er festigt seinen Ruf als Shooting Star mit einem weiteren Sieg in einem Ausgleich (B) in Newmarket im August desselben Jahres mit J. Watson im Sattel. Anschließend wird er fünfter in einem stark besetzten Feld aus 19 Startern in einem Handicap auf dem irischen Curragh, wieder mit dabei sein Partner Fran Berry. Zurück auf seiner Lieblingsbühne in Newmarket endet er als neunter im geschlagenen Feld. Danach tritt er das erste Mal in Frankreich auf und wird, zum Saisonende, vierter in einem Listenrennen über 2000 Meter in Chantilly.
Als Vierjähriger stiehlt er bei seinem Jahresdebut allen die Show. Mit Maxim Guyon an seiner Seite gewinnt Danceteria, im französischen Maison-Lafitte, ein Listenrennen über 1800 Meter. Nach dieser starken Vorstellung rückt er in Sandown das erste Mal ins Scheinwerferlicht der großen europäischen Grupperennen: Als starker Dritter mit Superstar Jamie Spencer im Sattel. Am 10.6.2019 gelingt ihm der ganz große Durchbruch mit seinem ersten Erfolg auf Gruppe Parkett im La Coupe in Longchamp.
Die wohl beeindruckendste Leistung seiner bisherigen Karriere zeigt er aber erst anschließend in Sandown, in den Coral-Eclipse. Als vierter kommt er nur fünf Längen hinter keiner geringeren als der „Queen of Turf“ Enable ins Ziel, der zum jetzigen Zeitpunkt besten Stute der Welt. Diese Form wird, sofern das möglich ist, sogar noch aufgewertet, denn Enable gewinnt anschließend bekanntermaßen die King George VI und Queen Elizabeth Stakes (Gr.1) in Ascot, eines der wohl prestigeträchtigsten und bestbesetzten Rennen der Welt.
In München ist es dann endlich soweit: Im Dallmayer Preis kommt es zum großen Showdown und Danceteria tanzt mit seinem Solo alle Gegner aus. Der Wallach kommt unter Jamie Spencer zu seinem ersten und hochverdienten Treffer auf Gruppe 1-Ebene.
Sich als Tänzer durchzusetzen, ist ein harter Kampf und der Weg nach oben an die Spitze ist steinig. Viele noch so große Talente schaffen den großen Durchbruch nie. Danceteria hat aber in München bewiesen, dass er zur Elite gehört und das Potenzial hat, auf den größten Bühnen dieser Welt mitzutanzen.
Noch steht sein weiterer Weg in den Sternen. Aber ob der nächste Wettkampf Danceteria auch nach Australien lockt oder nicht: Was bleibt, ist sein imponierender, tänzerischer Sieg gegen verdiente deutsche Spitzenpferde wie Wai Key Star (2.) und Quest the Moon (3.). Danceteria und Jamie Spencer werden mit ihrer Darbietung in Deutschland unvergessen sein, auf den Brettern, beziehungsweise auf dem Rasen, der die Welt bedeutet.