Verhalts-Auffälligkeiten gibt es nicht nur bei manchen Menschen. Auch bestimmte Pferde sind besonders ungewöhnlich, in ihrem Aussehen, ihrem Verhalten oder ihren Fähigkeiten. Im positiven wie im negativen Sinne. Wir befragten unsere RaceBets-Botschafter nach den ungewöhnlichsten Pferden, die sie in ihrer bisherigen Karriere trainiert haben.
Marco Klein
„Ein ungewöhnlich starkes Vertrauensverhältnis“
„Über Gold of Dubai, meinen ersten Sieger, hatte ich ja in einer anderen Geschichte bereits berichtet, aber zwei weitere Pferde warn ganz besonders ungewöhnlich. Zum einen Anatol Artist. Er war als Zweijähriger früh auf Gruppe-Ebene unterwegs, als er noch eine große Hoffnung des Gestüts Auenquelle war. Als es aber nicht so weiterging und er ausgehandicapt war und den Biss vermissen ließ, hat man ihn an den Stall Grimminger verkauft.
Für diesen Besitzer lief er unter der Regie von Jozef Vana Hindernisrennen. Das Kuriose war, dass er im Training keine anderen Reiter außer Jozef Vana zuließ. Und im Rennen wollte ihn auch kein anderer mehr reiten, denn er hat immer gebremst und seine Rennen oft nicht abgeschlossen. Herr Grimminger hat gefragt, ob ich Anatol Artist in Training nehmen würde. Natürlich habe ich zugesagt, denn das Pferd hatte ja große Flachklasse, auch wenn er noch sieglos war.
Als er zu uns kam, haben wir gleich festgestellt, dass er ein tolles Pferd war, allerdings erwies er sich beim Reiten als etwas schwierig. Wir haben ihn langsam herangeführt und wieder Vertrauen aufgebaut, sind mit ihm viel in den Wald gegangen und haben ihm zunächst gar nicht groß die Rennbahn gezeigt.
Schließlich hat sich zwischen ihm und Stalljockey Tommaso Scardino ein großes Vertrauensverhältnis entwickelt. Wir haben einen Start in Baden-Baden, auch wenn der Besitzer erst etwas pessimistisch war, und das hat zu einhundert Prozent geklappt. Anatol Artist hat das Rennen mit Tommaso im Sattel gewonnen. Später musste einmal eine andere Reiterin für ihn einspringen, aber er lief nur mit Tommy schnell. Es ist sehr außergewöhnlich, dass zwischen Pferd und Reiter solch eine Vertrauensbasis entsteht wie zwischen Anatol Artist und Tommy.
Das andere besonders ungewöhnliche Pferd war Alrune. Wir hatten sie aus Iffezheim bekommen und gekauft, ein tolles, bildhübsches Pferd, aber sie hat oft gekränkelt. Sie hatte viele Probleme, wir haben verschiedene Wunden am Körper gefunden. Sie hat jeden Tag Verbandswechsel über sich ergehen lassen.
Trotzdem standen wir vor einem Rätsel, denn ihre Blutwerte waren nicht schlecht. Gemeinsam mit der Tierheilpraktikerin Sandra Bandke haben wir ein Konzept entwickelt, wie man die Stute entgiftet und dabei auch eine Bachblüten-Mischung benutzt. Damit haben wir Alrune richtig nach vorne bekommen.
Im Rennen hat sie aber zunächst nicht viel gezeigt, und auch der ein oder andere Jockey sagte schon, verkauf das Pferd, sie gewinnt nie ein Rennen. Aber dann zeigte sie einen Ansatz in Mannheim und hat in Frankfurt mit 14 Längen Vorsprung gewonnen. Unsere Philosophie ist, wenn man einem Pferd die Chance gibt und mit ihm arbeitet, es als Lebewesen betrachtet, dann gibt es etwas zurück.“
Christian von der Recke
„Multikulti-Pferd“ und ein „Seekönig“
„Da fällt mir zunächst Fiepes Shuffle ein, der so ungewöhnlich war, da er alles konnte. Ob Gras, Sand, Hürden- oder Jagdrennen, überall war er für den Stall Jenny erfolgreich. Er hat es auch geschafft, einen Bahnrekord über 1.200 Meter in Hoppegarten aufzustellen, der noch heute Bestand hat.
Er ist gleichzeitig das einzige Pferd aus Deutschland, das ein Jagdrennen auf Gruppe-Niveau in England gewonnen hat, die Desert Orchid Chase in Kempton. Ungewöhnlich kann also auch sehr positiv sein, wie bei ihm, einem „Multi-Kulti-Pferd“.
Ich hatte auch einmal ein sehr gutes Pferd zu Beginn der 90er-Jahre namens Attu. Bei ihm war das Kuriose, dass er auf einmal nicht mehr in die Startmaschine zu bewegen war. Notgedrungen haben wir ihn daher eingesprungen, und er wurde zu einem der besten Hürdler und Steepler seiner Zeit.
Und noch eine andere Sache war bei ihm extrem, er war am 31. August geboren, daher avancierte er zum jüngsten Pferd seines Jahrgangs.
Mein drittes Beispiel ist Helmac. Er war immer so aufgedreht vor den Rennen und hat sogar hyperventiliert, so dass er nach den Rennen Kreislaufprobleme bekam. Wir haben schließlich herausgefunden, dass er wesentlich ruhiger ist, wenn man ihn schon in der Box sattelt. Er war ein ganz anderes Pferd und hat sich noch um zwei Klassen gesteigert. Helmac wurde zum Seekönig, denn er gewann Seejagdrennen in Hamburg und Bad Harzburg.“