Leistungssteigerung per Sattelgurt

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Ein Sattelgurt behindert das Pferd: Zu diesem Ergebnis kommen Studien schon seit Jahrzehnten. Ebenso lange experimentieren die Hersteller mit der Breite der Auflageflächen, Gurt-Materialen und elastischen Elementen.

“Schon mit fünf Kilo Angurtungszug wird seine Atmung eingeschränkt”, erklärte DIPOPferdeosteotherapeutin Eve Beisel beim Sattelgurt-Test der Cavallo (Sommer 2020, Ergebnisse HIER). Dabei braucht es rund zehn Kilo Angurtungszug, damit der Sattel stabil liegt. Eine Studie aus England wies nach, dass die höchsten Druckpunkte eines normalen Sattelgurtes direkt hinter den Ellenbogen lagen und vor allem von der vorderen Kante des Gurtes stammten.

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Risiken und Nebenwirkungen

Duke genießt die letzten warmen Tage
Duke genießt die letzten warmen Tage, Foto: WiebkeArt

“Wie weit die Schulter ausholen kann, wie gut die Hinterhand unter den Schwerpunkt kommt, entscheidet auch der Gurt mit”, so Beisel. Ein unpassender Gurt kann die Schulterbewegung um über 10 und das Untertreten der Hinterhand um bis zu 20 Prozent einschränken, ergaben Tests bei Reitpferden. Australische Forscher (Quelle) widmeten sich der Auswirkung des Sattelgurts auf Rennpferde und stellten fest, dass Rennpferd bei 5 Kilo Angurtungszug (Sattel sitzt locker) rund 17 Prozent bessere Leistungen erbringen, als bei 10 Kilo Angurtungszug (Sattel sitzt stabil). Zudem beschleunigt ein (zu) straff gezogener Sattelgurt die Ermüdung der getesteten Pferde: Eine Kompression im Bereich von Herz und Lunge kann die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Pferdes massiv einschränken.

Die Passform

Duke beim Aquatraining
Duke beim Aquatraining, Foto: WiebkeArt

Spoiler Alert: Den einen, perfekten Gurt scheint es nicht zu geben. Die Form des Gurtes muss zur Form des Pferdes passen. Zudem sollte ein Gurt nur so straff gezogen werden, wie es die Sicherheit des Reiters gebietet: So wenig Druck wie möglich, so viel wie nötig.

Ein guter Gurt ist im empfindlichen Ellenbogenbereich ausgeschnitten und hat im Bereich des empfindlichen Brustbeins eine große und weiche Auflagefläche. Bei einer wissenschaftlichen Studie im Jahr 2011 konnten Forscher keinen Vorteil von Sattelgurten mit Elastik-Einsatz feststellen; ein Nachteil ist sicherlich, dass sie Reiter zum Einschnüren ihrer Pferde verleiten. “Mit oder ohne Gummi?”, ist also eine Frage von Geschmack und auch vom Feingefühl des Reiters; einseitiger Gummizug führt hingegen zu einer ungleichmäßigen Druckverteilung und hat negative Folgen.

Trendprodukt Schnurengurt

Schnurengurte sind aufgrund der wenigen und schmalen Verwebungen diagonal sehr beweglich. d.h. dass die Bewegung der Haut und Bauchmuskulatur während des Vor- und Zurückführens der Beine nicht gestört wird. Dass aktuell vermehrt Kunststoff-Schnurengürte in Deutschlands Reithallen auftauchen, hat mein internetscheuer Sattel-Experte nur mit einem fassungslosen Kopfschütteln kommentiert. “Die Schnüre dieser Gurte sind synthetisch und schneiden bei Schweiß wie Messer ins Pferd!”

Den Schnurengurt empfiehlt er nur als Naturprodukt, zum Beispiel aus 100-prozentiger Baumwolle. “Das größte Problem, an den billigen, plastikhaltigen Schnurtengurten ist, dass alle Eigenschaften der natürlichen Materialen verloren gehen, wie Dehnfähigkeit, Wollfett oder Atmungsaktitivät”, ergänzt Melissa Wintergerst von Schnurengurt Cordula (maßgeschneiderte Premium-Schnurengurte aus Merinowolle). “Betrachtet man bei einigen die Verwebungen der Schnüre, wird man festellen, dass diese zum einen meist sehr hart sind und zum anderen häufig dick auftragen und eine Druckspitze darstellen.” Darum stellt das Team Cordula anhand von Fotos und in Rücksprache mit den Besitzern hochwertige Maßanfertigungen her.

Sattelgurt-Materialien im Vergleich

Neben unterschiedlichsten Passformen bietet der Markt auch eine Riesenauswahl an Materialien. Kunststoffgurte überzeugen mit einem günstigen Anschaffungspreis und leichter Pflege; dafür “arbeitet” Kunststoff, anders als Naturmaterialien, nicht am Pferd. Auch lassen günstige Produkte oftmals keine Luft ans Pferd oder gar Schweiß nach außen. Wertige Kunststoff-Produkte werben mit dem Bonus “atmungsaktiv”.

Anatomisch geformter Lammfell-Sattelgurt
Anatomisch geformter Lammfell-Sattelgurt, Foto: WiebkeArt

In der Dressur sowie bei besonders sensiblen Pferden wird häufig Lammfell eingesetzt: Selbst im Rennsport sieht man Pferde, die damit trainiert werden. “Lammfell hat eine polsternde Wirkung, fördert die Durchblutung und absorbiert Schweiß”, fasst Johanna Christ die Vorteile der traditionsreichen Christ Lammfellgurte zusammen. “Zudem vermindert es Druck- und Scheuerstellen und reduziert Schwerkräfte.” Ein Lammfell-Gurt muss regelmäßig gebürstet, doch nur selten gewaschen werden. Wegen seiner Wasser absorbierenden Wirkung ist er für den Hochleistungssport und die Vielseitigkeit nur bedingt geeignet.

Eine interessante Alternative für “feuchte” Tage stellt die Merinowolle dar, mit der die Sattelgurt-Manufaktur von Schnurengurt Cordula arbeitet. “Vorteile der Merinowolle sind, dass sie von Natur aus dehnfähig und äußerst atmungsaktiv ist”, erklärt Wintergerst. “Ganz besonders möchte ich das natürliche Wollfett, auch als Lanolin bekannt, der Wolle hervorheben, welches extrem pflegende Eigenschaften besitzt und unter anderem in der Behandlung von Mauke genutzt wird. Das heißt, dass der Gurt nicht nur die Gurtlage schont, sondern aktiv pflegt! Das Wollfett ist auch der Grund warum unsere Schurengurte schmutzabweisende Eigenschaften besitzen und nur abgebürstet werden sollten.”

Aus dem Alltag eines Patienten: Duke darf entscheiden

Aquatraining für mehr Abwechslung
Aquatraining für mehr Abwechslung, Foto: WiebkeArt

Warum diese ausführliche Recherche zum Thema Sattelgurt? Mein Ex-Galopper Duke befindet sich in Woche 14 nach der Kolik OP: 8 Wochen Stehpause mit marginaler Bewegung, 4 Wochen Trab und nun geht die 2. Woche Galopp zu Ende. In 2 Wochen ist die Rehabilition abgeschlossen und er darf wieder ganz normal ins Training einsteigen. Die Saison ist natürlich gelaufen und so möchte ich ihn über den Winter ganz in Ruhe und möglichst optimal wieder aufbauen. Den Sattelgurt habe ich bisher ehrlich gesagt wenig hinterfragt: Ein pflegeleichtes Modell aus Kunststoff, das ich schon seit Jahren nutze. Die optimale Wahl? Nach diesem besch*** Jahr hat Duke mehr als verdient, dass ich alte Wege in Frage stelle. Besser geht immer: Und was das Beste ist, kann er noch immer selbst entscheiden. Also werde ich in den nächsten Wochen unterschiedliche Gurt-Formen und Materialien testen und beobachten, welche Version er am liebsten mag.

Bericht folgt …

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Janina Beckmann
Janina Beckmannhttps://www.expertenmarketing-muenchen.de/
Unsere Autorin Janina Beckmann war lange Jahre als Sportjournalistin und später als PR Beraterin tätig, ehe sie eine eigene PR Agentur in München gründete. Ihre Leidenschaft für Vollblutpferde führte sie über die englischen und irischen Rennbahnen auf die Galopprennbahn Riem. Heute ist sie in der Vielseitigkeit aktiv.

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