In letzter Zeit häufen sie sich: Die Anschuldigungen gegen den Rennsport. Das hat sicher auch mit der reißerischen Berichterstattung um die tragischen Todesfälle von Santa Anita zu tun, aber eben auch mit uns. Den Rennsportmenschen. Nicht allen natürlich. Aber wir sind schon selbst schuld, dass wir immer so schlecht dastehen.
Vor Jahren haben wir eine Medienoffensive versäumt. Für Social Media kommen wir eigentlich auch um kurz vor 12. Wir haben Champagner geschlürft, Hütchen getragen und uns elitär gefühlt. Dabei waren wir gar nicht mehr die Elite.
Wir haben die anderen machen lassen. Machen wir halt unseres. Und jetzt sind wir bisschen wie das öffentlich rechtliche Fernsehen – uns sterben die Zuschauer weg. Und neue kommen nicht. Weil wir ja mit dem Rücken zu ihnen standen und weiter mit Champagner und Sportwelt rumgewedelt haben. Wie, du verstehst das mit der Form nicht? Wie man eine Platzzwillingswette spielt? Ahahaha, was bist du für eine niedere Kreatur. Hinfort mit dir.
Unterdessen hatte man den Galoppern nun ebenfalls den Rücken gekehrt. Und weil die ja, wenn sie mal sterben, durchaus auch auf der Bahn bleiben (wo es jeder sieht) und das mit der Gerte so fies aussieht, wurden wir zum Buhmann der Reiterei. Statt diese bedenkliche Entwicklung mitzubekommen, war man aber weiter mit Champagnerschlürfen, Sportwelt und schönen, schnellen Pferden beschäftigt. Ich verstehe das – Rennpferde lenken ab. Wenn man voll im Rennfieber ist, dann gibt es nur wenig, das einen dort herausholen kann.
Und jetzt fällt uns plötzlich auf: Die hassen uns ja alle. Kein Wunder. Wir haben immer nur unser Ding gemacht, einfach die Augen zu und wenn die mal offen waren, nur auf die Bahn gerichtet – während hinter uns der wütende Mob steht und Unwahrheiten rausbrüllt. Alle Rennpferde gehen zum Schlachter, Fohlen werden entsorgt, wenn sie zu klein sind, Trainer sind Verbrecher, Besitzer bereichern sich durch Geld – die haben das von anderen Reit und Tierschutzorganisationen eingetrichtert bekommen. Und weil von uns NIE eine Reaktion kam (denn man war sich offenbar zu fein), denken die: Wow – wir haben Recht. Das sind wirklich Tierquäler. Die haben ja gar keine Antwort auf unsere Anschuldigungen.
Jetzt ist das Kind so was von tief im Brunnen. Keine Ahnung, ob man es jemals wieder unbeschadet da rauskriegt.
Denn wir erwarten immer, dass die anderen sich informieren müssen. Dass die anderen ja die Augen aufmachen müssen. Wo hätten die sich informieren sollen? Wenn ich daran denke, wie manche Leute mit Rennsportneulingen sprechen (vor allem auf Social Media) – dann weiß ich auch, warum selbst der freundliche Mob von nebenan nicht mehr mit ihnen sprechen will – weil sie frech, überheblich und unverschämt sind. In der Position kann sich das der Rennsport aber nicht mehr leisten. Er liegt nämlich sonst selbst mit im sprichwörtlichen Brunnen.
Seit einigen Jahren wird endlich mal was aktiv getan. Tag der offenen Tür, Infoveranstaltungen, Messepräsenzen, usw. Das gibt es jetzt alles. Aber es ist eben sehr spät. Wir haben das verschlafen und müssen es irgendwie geradebiegen. Und das wird sehr schwer, wenn manch ein Rennsportler sich noch in seinen elitären Champagnerkreis zurückwünscht und den Neuling belächelt, weil er eine (für ihn) dumme Frage stellt.