Das Training kann beginnen: Von der Langdistanz zum Triathlon

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Dass ein Rennpferd anders als ein Reitpferd “tickt”, sorgt bei Freizeitreitern auch in Zeiten von Google, Facebook und Instagram (sprich: in denen die relevanten Informationen leicht zugänglich wären) immer wieder für Irritationen. Warum steht der Vollblüter nicht ruhig auf der Stallgasse, wenn ich ihn putzen möchte? Warum rennt er draußen los, sobald ich die Zügel annehme? Und warum kriegt er große Augen, wenn ihm in der Reitbahn “Gegenverkehr” entgegenkommt?

Alles Fragen, bei denen Rennsportler wissend nicken. Normal und verständlich. Doch auch Fragen, die immer wieder in den zahllosen Social Media Foren und Gruppen dieser Welt aufploppen. Und leider auch Situationen, in denen die Unwissenheit der Ex-Galopper-Besitzer schnell gesundheitsgefährdend werden kann.

Die Basics: Anbinden, Aufsteigen und Gegenverkehr

Der allererste Schritt der Umschulung ist sicherlich das Thema Anbinden. Im Rennstall werden Pferde meist in der Box im Bereich des Futtertrogs angebunden, geputzt und gesattelt. Das Putzen auf der Stallgasse oder einem Putzplatz ist für einen frisch pensionierten Blüter entsprechend aufregend. Duke erwies sich an dieser Front zum Glück als sehr pflegeleicht, sodass sich das Sicherheitshalfter (mit dehnbarem Genickstück: so kann sich das Pferd im Notfall befreien) als unnötiger Kauf erwies. Doch wenn die vierjährige Rennsemmel alleine auf der Stallgasse steht und die Stallkollegen sorglos um ihn herumlaufen, gehe ich lieber auf Nummer sicher. Darum trägt Duke auch noch immer Kordel in den seitlichen Halfter-Ringen, in die ich beim Anbinden die Panikhaken einhänge. So ist er im Falle eines Falles noch schneller frei …

Koordinationstraining über Stangen
Koordinationstraining über Stangen

Für das Thema Aufsteigen sollte man möglichst früh in der Umschulung eine eigene Trainingseinheit einplanen. Besonders, wenn die Pferde nur Hochwerfen der Arbeitsreiter kennen, sorgen Hocker, Leitern und andere kreative Aufsteigehilfen im Reitstall für ziemliche Irritation. Natürlich kann man sich irgendwie in den Sattel hieven und schnellstmöglich losreiten. Ich persönlich wollte vermeiden, jede Trainingseinheit mit Stress und Hektik zu beginnen. Und so musste Duke das Auf- und Absteigen so lange pauken, bis er beim Aufsteigen brav und entspannt auf allen Vieren stehen blieb und auf das Start-Signal wartete.

Der erste Tag in der Reitbahn war für Gucken und Staunen reserviert. Wenn ein Pferd das Laufen im Lot gewöhnt ist, sind plötzlich vorbeigaloppierende oder gar entgegenkommende Pferde eher beängstigend. Ich hatte meine Stallkolleginnen zwar freundlich darauf hingewiesen, dass ich auf einem unerfahrenen Baby sitze (im Reitstall laufen Vierjährige noch in der Kategorie “Baby”), doch wirkliche Rücksichtnahme war wohl zu viel verlangt. Also war ein paar Runden Singen und Summen angesagt, während die Freizeitpferde fröhlich aus allen Richtungen um uns herumdüsen (ein alter Arbeitsreitertrick: Wer singt, atmet gleichmäßig weiter, statt in Erwartung eines Problems die Luft anzuhalten).

Dressurtraining: Auf der Skala der Ausbildung unterwegs zum Schwung

“Die pferdegerechte Ausbildung des Pferdes ist eine ganzheitliche Gymnastizierung, die unabhängig von der Disziplin erfolgt und sich nach der Skala der Ausbildung richtet.” (FN-Abzeichen, 2018)

Kurven, Kringel und noch mehr Kurven: Für mein übergroßes und schlaksiges 3.000-Meter-Pferd waren die ersten Dressureinheiten mehr als anstrengend. Nachdem sich Duke auf der Koppel und auch bei der Bodenarbeit ständig selbst trat (er traf wegen mangelnder Koordination mit einem Hinterbein das andere und verletzte sich), brauchte ich an der Koordinationsfront schnelle Lernerfolge. Es ging nicht um die langfristige Gesunderhaltung des Pferdes (Ziel guter Dressurarbeit), sondern erst einmal um ein verletzungsfreies Pferd.

Im ersten Schritt hat die Chiropraktikerin meines Vertrauens (vielen Dank an dieser Stelle an Dr. med. vet Zrinjka Hadenberg) wieder die volle Beweglichkeit des Rückens hergestellt: Eine gesunde Basis, auf die ich mit gezieltem Training Muskulatur aufbauen kann. In den ersten Wochen bestand unser Trainingsplan aus zwei leichten Longen-Einheiten (wichtig, aber für Duke sehr anstrengend und unamüsant), zwei kleinen Ausritten mit vielen Kletter- und Hangbahn-Passagen, einem Reit-Tag mit sehr leichter Dressur-Arbeit oder Stangen-Gymnastik (Krafttraining) und einem Tag frei laufen im Roundpen. Takt, Losgelassenheit, Anlehnung: Die drei ersten Stufen der Ausbildungsskala werden uns sicherlich noch ein Weilchen beschäftigen, ehe wir den für Blüter- und Buschreiter besonders spannenden Punkt “Schubkraft” angreifen können. Doch immerhin kommt Duke nicht nur heil und mit allen Hufeisen von der Koppel, sondern auch mit immer weniger “Schutzkleidung” (wir haben mit vier hohen Gamaschen und vier XXL-Hufglocken angefangen) durch immer engere Wendungen.

Der Weg zum Sprung: Warum Stämme besser als Stangen sind

Ein Rennpferd auf der Geländestrecke einspringen? Die Idee hat bei meinen Stallgenossen für manch einen entsetzten Seitenblick gesorgt. Denn anderes als beim Springreiten, fallen die festen Geländehindernisse nicht einfach um. Eine Geländestrecke mit Stämmen, Kisten und Hecken hat jedoch einen großen Vorteil: Man hat viiiieeel mehr Platz. Und ein Rennpferd entsprechend auch viiiieeel mehr Spaß.

Dukes erste Runde auf einer Geländestrecke

In Rennbahn-Manier setzten wir uns hinter ein erfahrenes Führpferd und an Stufen, Wellenbahn und Wasser zeigte sich, was die ersten Ausritte schon angekündigt hatten: Duke ist extrem mutig. An allen Passagen mit Höhenmetern brauchte er ein oder zwei langsame Durchläufe, ehe er seine Beine zur rechten Zeit am rechten Fleck hatte. Doch von Mal zu Mal fummelte er sich schneller, geschickter und absolut schmerzbefreit durch alle Gelände-Aufgaben, mit denen ich ihn konfrontierte. #Hammerpferd

Duke’s sensationelle Lernkurve bringt eine Frage auf, mit der ich wenige Wochen nach der Galopprennbahn ehrlich gesagt noch gar nicht gerechnet hatte. Die Frage lautet: Turnier? Zum Ende der Turniersaison hat Duke sicherlich keine Chance gegen andere Buschpferde, die schon viel länger und weiter im Training sind. Doch wenn er 2020 auf Dinge wie “Losgelassenheit” geprüft wird, sollte er den Unterschied zwischen Rennen und Reitturnier eher früher als später lernen. Sollten seine Gesundheit, seine Motivation und das Wetter mitspielen, werden wir noch im September den ersten Turnierplatz unsicher machen.

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Janina Beckmann
Janina Beckmannhttps://www.expertenmarketing-muenchen.de/
Unsere Autorin Janina Beckmann war lange Jahre als Sportjournalistin und später als PR Beraterin tätig, ehe sie eine eigene PR Agentur in München gründete. Ihre Leidenschaft für Vollblutpferde führte sie über die englischen und irischen Rennbahnen auf die Galopprennbahn Riem. Heute ist sie in der Vielseitigkeit aktiv.

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