“Du fährst acht Wochen nach dem Rennstall mit einem Blüter aufs Turnier? Mutig!” Wohl einer der top drei Sätze, die man als Amateurin nicht von einem Profi hören möchte. Aber fangen wir vorne an …
Reitturniere sind gerade für diensterprobte Ex-Galopper ein eher verwirrendes Unterfangen: Zahlreiche Zuschauer, die nicht brav hinter einem Absperrzaun stehen, sondern aus allen Richtungen kommen und oftmals ohne irgendwelchen Respekt um die Pferde herumwuseln. Kleine und voll gepfrofte Abreiteplätze, auf denen aufgedrehte Pferd-Reiter-Paare entgegen jeglicher Verkehrsregeln (u.a. links vor rechts) herumrasen.
Kampf-Muttis im Schrei-Modus und Profi-Trainer, die schon bei 30€ Preisgeld mit Olympia-würdigem Equipment auflaufen und ihre “Nachwuchstalente” durch den Reiter-Wettbewerb Schritt-Trab-Galopp (vergleichbar mit einem Sieglosenrennen für ein GAG < 40 Kilo) navigieren. Bis zu 150 Amateur-Reiter je Prüfung sind im Münchner Raum keine Seltenheit; ebenso wenig viele hundert Zuschauer, eine professionelle Lautsprecher-Anlage und Leinwand.
Mit meinem ersten Galopper Lord of Desert (knapp 50 Lebensstarts) hatte ich lange und gründlich trainiert, ehe ich auf das allererste Dressurturnier fuhr. Schon beim Einflechten am Stall merkte ich, wie der Puls von Minute zu Minute stieg. Ein Dienstveteran, der ganz genau wusste, was jetzt kommt. Dachte er zumindest. Am Hängerparkplatz stieg Lordi mit 3.000 PS aus und ich erinnerte mich plötzlich wieder, warum er zu Rennzeiten nie am Sattelring gesattelt wurde (sondern in der Box) und den Führring nach wenigen Runden wieder verlassen durfte. Mit viel Geduld und einem lebensmüden TT (= “Turnier-Trottel”; ein lieber Mensch & Helfer, der am Turniertag mitfährt und dem Reiter in allen Lebenslagen zur Hand geht) konnten wir irgendwann den Sattel auf Pferd hieven und immerhin ein paar Runden auf dem Abreiteplatz führen.
Eine lustige Feststellung: Wussten Sie, dass zum Start einer Dressurprüfung geklingelt wird? Dann reitet die Abteilung (=Lot) los und man bekommt Noten auf Punkte wie Takt, Losgelassenheit und eine weiche, federnde Anlehnung, während das Pferd korrekte “Hufschlagfiguren” im vorgegebenen Tempo zeigen muss. Tja, und der Galopper? Der ohnehin schon zum Zerreißen gespannte Galopper sprang bei jedem Klingeln im benachbarten Dressurviereck pflichtschuldig ab. Auf einem vollgestopften Abreiteplatz. Mit Zuschauern. Reitern. Kindern. Hunden. Gegenverkehr. Musik. Geschrei.
Live and Learn: Der zweite Versuch
Nach dieser Erfahrung hatte ich mir geschworen, das Thema Turnier beim nächsten Mal anders anzugehen. Nicht lange und brav in der sicheren Heimat-Reithalle zu üben. Und erst dann loszufahren und der Rennsemmel neue Dinge zu zeigen. Also schaute ich für Duke frühzeitig nach einer passenden Prüfung. Natürlich ganz ohne sportliche Ambitionen; nur, damit er die Atmosphäre schon einmal kennenlernt und versteht. Nach einem klitzekleinen Starterfeld, bei dem ich auf dem Abreiteplatz keine Angst haben muss, versehentlich über einen Kinderwagen zu trampeln. Und siehe da – es fand sich ein ideales Format.
Der benachbarte Reitverein PSV Gut Gernlinden schreibt alle Jahre wieder Richtung Saisonende ein wunderschönes Buschturnier aus. Während die Vielseitigkeitsprüfungen ziemlich voll waren (u.a. 60 Starter in einer VA* mit – Rennsportler mögen sich an der Stuhllehne festhalten – stolzen 450 €
Preisgeld), fiel mir ein anderer Punkt ins Auge: Eine Reitpferde Eignungsprüfung der Klasse A für vier- bis sechsjährige Pferde (sprich: eine Gewöhnungsprüfung für Babys). Und mit zwölf sehr erfahrenen Reitern, wie mir ein Blick in die Starterliste zeigte.
Hieß für mich: Ich kann mich gänzlich auf mein eigenes Pferd konzentrieren. Ich kannte das Format Eignungsprüfung noch nicht; kam aber nach einer ausgiebigen Youtube-Recherche zu dem Schluss, dass wir den Mini-Triathlon anständig absolvieren können. Und dass Gernlinden eine nette und stressfreie Möglichkeit sei, Duke vor der Winterpause mit dem Thema Reitturnier bekannt zu machen.
Dressur – Springen – Gelände
“Das ist ja ein heißes Teil!“ Mit dem lobenden Nicken eines führenden Blüter-Experten bin ich geradezu in die Abreitehalle geschwebt, um mich für den ersten Prüfungsteil aufzuwärmen. Mein Pferd war von der zweiten wichtigen Instanz abgesegnet wurde. Ich hatte Duke schließlich ganz alleine ausgesucht. Im Reitsport ist es üblich, dass man ungefragt und ungefiltertes Feedback von jedem nah und fern stehenden Menschen bekommt: Egal, ob er dich und dein Pferd nun fünf Minuten oder fünf Jahre kennt. Doch es gab zwei Busch-Veteranen, auf deren Meinung zu Duke ich wirklich Wert legte. Der erste hatte eine Woche vorher mit einem ruppigen Nicken bestätigt, dass ich scheinbar keinen kompletten Sch*** gekauft hatte. Der zweite schickte mich mit seinem “Segen” in die Prüfung.
13 Teilnehmer ist für ein Reitturnier zwar ungewöhnlich wenig. Doch wenn 13 unkoordinierte und aufgeregte Youngster auf 20 x 40 Meter durcheinanderlaufen, ist das trotzdem kein Pappenstiel. Wie üblich hielt Duke vor Aufregung kurz die Luft an und verkrampfte den Rücken; doch schon nach der ersten Runde in der fremden Halle kam ein hörbares Schnaufen und er fing an abzukauen. Danach bahnte er sich todesmutig und mit einer für das Alter einfach nur phänomenalen Übersicht seine Bahnen durch das Getümmel, passte auf die anderen Pferde auf, wo es ging, aber ließ sich auch von dem Body-Check eines unkoordinierten Kollegen nicht aus der Ruhe bringen.
Im Dressur-Teil der Eignungsprüfung haben wir ehrlicherweise improvisiert: Wir hatten nämlich die ausgeschriebene und sehr humane Dressur-Aufgabe R1 geübt. Stattdessen wurde die deutlich schwere Dressur-Aufgabe RA1 (mit Trab-Tritte verlängern, Galoppsprünge verlängern u.v.m.) abgefragt. Da Duke in der Trab-Passagen eher fest im Rücken war, habe ich das Kommando „Aussitzen“ weitestgehend überhört und mich bemüht, ihn locker zum Schwingen zu bringen (so etwas gibt natürlich Punktabzüge). Mir ging es schließlich nicht um eine Platzierung, sondern dass er gute Erfahrungen sammelt und nächste Saison leichter in den “Turniermodus” findet. In den GaloppPassagen war er hingegen ein absolutes Träumchen und ließ sich im Arbeitsgalopp sowie auch beim Sprünge verlängern wunderbar und butterweich hinter einem Deutschen Reitpony regulieren. Beides blieb den kritischen Augen der Richter natürlich nicht verborgen.
Bei der Besichtigung des Spring-Parcours (ausgeschrieben waren ein Kreuz und vier Sprünge; letztendlich waren es acht Hindernisse) wurde der Kleine doch mal kurz nervös. Gras?! Lautsprecher?! Applaus?! Ich klopfte ihm den Hals und wieder kam das hörbare Durchschnaufen: Locker bleiben und weiteratmen. Hindernis eins und zwei waren noch etwas steif; danach wurde er von Sprung zu Sprung lockerer und mutiger.
Bei der Besichtigung des abschließenden Gelände-Teils (der zum Saisonende mit acht Sprüngen, Hügel und Wasser eher lang ausfiel), hatte ich ein ziemlich scharfes Auge auf mein Pferdchen: Kann er noch? Die vielen Tempowechsel, Kurven und Hindernisse belasten schließlich ganz andere Muskeln, als ein Cantern auf der Rennbahn. Doch der kleine Mann war noch konzentriert bei der Sache und so ritt ich vorsichtig in den dritten Teil der Eignungsprüfung. Sprung zwei (ein Baumstamm mit Tannenzweig-Hecke drauf) war Duke merklich suspekt; danach wurde er auch in diesem Prüfungsteil von Sprung zu Sprung lockerer und mutiger. Dass wir übers Billard (quasi ein Podest, das mitten auf der Geländestrecke steht) und am Wasser getrabt sind, ist natürlich eine Todsünde im Busch (= Galopp-Sport) und wirkte sich negativ auf die Stilnote aus. Aber mit einem noch nicht gänzlich fitten Youngster war mir das zum Saisonende so gänzlich wurscht.
Die Weichen für 2020 sind gestellt
Duke sollte an diesem Tag den Unterschied zwischen Rennen und Reitturnier verstehen und für die Saison 2020 lernen, dass Reitturniere Spaß machen. Mit einem gänzlich stressfreuen Ritt, viel Lob, vielen Karotten und noch mehr leckerem Kräutermüsli konnte ich ihm den Tag glaube ich süß genug gestalten. Am Ende war er ziemlich müde. Doch der Kleine wusste ganz genau, dass er einen bomben Job gemacht hat.
Fazit: das kleine Wahnsinnspony hat sich sensationell geschlagen. Er braucht über den Winter ganz viel Rücken- und Krafttraining und bekommt auch nächstes Jahr die Zeit, um neue Aufgaben ganz in Ruhe anzuschauen und zu verstehen. Und dann greifen wir an. Die Schokostreusel auf dem Sahnehäubchen unseres ersten Turnierwochenendes: Wir haben zukünftig einen festen Coach und Mentor, der uns gerade einen neuen Trainingsplan für den Herbst bastelt. Bei unserer mehr als braven Runde ist Duke einem Blüter- und Branchenurgestein mit Jahrzehnten langer Busch-Erfahrung ins Auge gefallen. Ich freue mich wahnsinnig über die Unterstützung: Schließlich ist es das erste Mal, dass ich ein junges Pferd von A bis Z selber ausbilde.
Träume und Ziele
Wohin es mit Duke irgendwann mal gehen soll? Im Pferdesport bin ich ehrlich gesagt kein Fan von großen Träumen und Zielen; das ist dem Pferd gegenüber nicht fair. Stattdessen denke und plane ich in kleinen Schritten. Wenn die letzten Messungen im Rennstall stimmen, ist Duke im letzten halben Jahr fast sieben Zentimeter gewachsen. Mit den aktuellen 172 cm ist sicherlich noch nicht Schluss.
In den nächsten Monat werden wir essen, wachsen und unter der Aufsicht kompetenter Trainer Muskeln aufbauen (u.a. dieses Wochenende bei Busch-Olympiasieger Matthias Baumann). Die Indoor-Turniersaison geht im März wieder los; die Outdoor-Saison im Mai. Mit guten Leistungen auf Landes-Ebene kann sich ein Buschpferd fünf- und sechsjährig fürs Bundeschampionat qualifizieren: das Derby der Deutschen Buschpferde, das vom 02. bis zum 06. September in Warendorf stattfindet.
Wie gesagt: Ich träume nicht gerne. Aber gut informiert zu sein schadet nie 🙂