Ein gesunder Pferderücken: Optimales Training mit passendem Sattel, geeigneter Satteldecke und Sattelpad

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Wer jemals in unpassenden Turnschuhen joggen war, weiß: Gut sitzendes Equipment ist essentiell für erfolgreiches Training. Eine Studie der Chirurgischen Tierklinik aus München (2000) ergab, dass 30 Prozent der Pferde in Deutschland Rückenprobleme haben. Das ist wenig überraschend. Die Wirbelsäule hängt sozusagen wie eine Brücke und wird lediglich von verschiedenen Muskeln, Gelenken und Bändern getragen. Sie kann sich in alle Richtungen bewegen, gewisse Rotationen mitmachen und überträgt Bewegungen von der Hinterhand auf die Vorderhand des Pferdes.

Rechts und links und unter der Wirbelsäule verläuft der lange Rückenmuskel: Eine für den Reitsport essentielle Struktur. Er sollte locker und durchlässig sein: Ansonsten kann ein Pferd nicht locker laufen und keinen Schwung durch den Körper lassen. Faustregel: Ist die Wirbelsäule eines Pferdes mit bloßem Auge sichtbar, ist das Pferd zu dünn oder der Rückenmuskel nicht gut trainiert. Hier ist das Risiko groß, dass Longiergurt, Reitergewicht usw. direkt auf die Wirbelsäule drücken.

Lockere Muskulatur kommt nur, wenn alle Umstände passen
Lockere Muskulatur kommt nur, wenn alle Umstände passen

Welche Folgen es hat, wenn ein Pferd mit unpassendem Equipment trainiert wird? Welche Produkte der Markt für Hochleistungssportler, Remonten, Umschüler und Sensibelchen bietet? Und welche Vor- und Nachteile die schier unüberschaubare Vielfalt an Materialien und Schnitten hat? Das und mehr fragte ich erfahrene Branchen- und Vollblutexperten.

  • Sättel
  • Sattelunterlagen
  • Sattelpads

Natürlich sind meine Recherche nicht ohne Eigennutz: Mit meinem fünfjährigen, großen, kurzen, dünnhäutigen Vollblutfuchs ist die Wahl des Equipments alles andere als einfach. Das galt letztes Jahr bei Dukes Wachstumsschub (165 cm auf 175 cm) ebenso, wie dieses Jahr nach der Milz-NierenbandKolik.

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Ein passender Sattel muss mit dem Pferd wachsen

Bei der Wahl des Sattels ist eine Momentaufnahme des Pferderückens wichtig sowie eine fachmännische Beurteilung, wohin sich das Pferd entwickeln wird. Dann sollte der Beurteiler die Philosophien der Sattel-Hersteller kennen: in wie weit der Sattel mit dem Pferd wachsen und verändert werden kann. “Leider haben dieses Wissen nur noch wenige Personen”, heißt es von einem Brancheninsider, der namentlich nicht genannt werden möchte. So komme es, dass Sattel in der Momentaufnahme funktionieren, aber nicht langfristig verwendet werden sollten.

Der Vollbaum-Sattel lässt Raum für die Wirbelsäule. Hier das Modell vom Rennpferde Boomerang
Der Vollbaum-Sattel lässt Raum für die Wirbelsäule. Hier das Modell vom Rennpferde Boomerang

Im Reitsport werden üblicherweise Vollbaumsättel genutzt, bei denen das Reitergewicht gleichmäßig verteilt auf dem Rückenmuskel ruht, während die Wirbelsäule frei bleibt und uneingeschränkt arbeiten kann. Die oben genannte Quelle rät, bei der Erstanpassung des Sattels in einen kompetenten Experten zu investieren. Die Passform des Sattels sollte im Laufe der Jahre nur dann kontrolliert werden, wenn das Pferd verhaltensauffällig wird. “Solange alles rund läuft, muss der Sattel nicht kontrolliert werden.” In der Praxis kommen professionelle Sattler etwa 1 x pro Jahr in die Reitställe, um die Passform des Reitsattels zu kontrollieren: Liegt der Sattel noch im Schwerpunkt und wird das Reitergewicht optimal auf dem Pferderücken verteilt? Ggf. wird das Kopfeisen des Sattels oder die dicken Wollpolster verändert, damit der Pferderücken wieder optimal arbeiten kann.

Inzwischen bieten einige Hersteller pflegeleichte Kunststoffsättel mit austauschbaren Kopfeisen an. Dieses pragmatische und kostengünstige Grundprinzip bringt mehrere Herausforderungen/ Probleme:

  1. Der Besitzer muss das momentan passende Kopfeisen ohne professionelle Hilfe wählen.
  2. Die unterschiedlichen Kopfeisen ermöglichen keine kleinen Veränderungen der Sattel-Passform, sondern nur verhältnismäßig große Schritte.
  3. Die Sattelkissen dieser Modelle können meist gar nicht verändert werden. Im Vergleich zu den Wollkissen von Ledersätteln sind die Kunststoffpolster verhältnismäßig hart

Im Freizeitsport gibt es noch sogenannte baumlose Sättel; sozusagen verstärkte Reitkissen. Sie gelten im Breitensport als besonders pferdefreundlich, sind ohne Wirbelsäulen-Freiheit und eine gleichmäßige Druckverteilung jedoch mit Vorsicht zu genießen.

Eine neue Initiative: Sättel für Vollblüter

Rennpferde Boomerang und Sattlerei Ansorge entwickeln einen kurzen Sattel für blütige Pferde
Rennpferde Boomerang und Sattlerei Ansorge entwickeln einen kurzen Sattel für blütige Pferde

Die aktuellen Reitsattel-Produzenten decken vor allem moderne deutsche Warmblüter ab: Lang und breit. Um die Marktlücke “Blutpferde” abzudecken, haben sich der Rennpferde Boomerang und die Münchner Sattlerei Ansorge zusammengeschlossen. Im ersten Schritt sollen zeitnah die ersten Reitsättel (Vielseitigkeits- und Springsättel) für blütige Pferde entstehen: Hochwertige Verarbeitung, kurze Auflagefläche, optimale Druckverteilung und tendenziell flache Pauschen. Damit gehen die neuen Sattelmodelle gegen einen aktuellen Reitsport-Trend zur sogenannten “Sitzprothese”: Wo Reiter durch tiefe Sitzposition und große Pauschen geradezu in den Sattel gepfroft werden.

Rennpferde Boomerang & Sattlerei Ansorge entwickeln einen Sattel für Vollblüter

Sattel-Pads: Stoßfedernd und Ausgleich von Unebenheiten

Wie gesagt: Unter einen maßgeschneiderten Sattel sollte möglichst wenig Material gelegt werden. Doch wie ist es mit Arbeitssätteln, die Berufsreiter während des Tages auf unterschiedliche Pferde legen? Und bei Pferden im Auf- oder Umbau-, die sich massiv verändern. Ein Pferd kann nur mit einem locker arbeitenden Rückenmuskel gesund aufbauen, andererseits kann sich kaum jemand den Sattler auf Kurzwahl leisten. Der Markt bietet eine riesige Auswahl an Sattelpads, die auf die Passform beeinflussen: Das sollte natürlich keine Dauerlösung sein.

Neben der Passform ist der Aspekt “Stoßfedernd” vor allem in den schnellen Reitdisziplinen spannend: Denn jenseits der sicheren Reithalle kann es immer mal passieren, dass ein Pferd rutscht, stolpert o.ä. und der Reiter aus der Balance kommt oder gar unsanft auf den Pferderücken plumpst. Das Magazin Cavallo führte 2012 einen interessanten Test (HIER geht es zum Artikel) durch, um die stoßdämpfende Wirkung unterschiedlicher Sattelpad-Materialien zu vergleichen. Für ein angenehmes Reitgefühl muss ein Pad großflächig auf dem Pferderücken aufliegen, relativ dünn und dennoch druckbeständig sein und weich genug, um sich an die Rückenkontur anzupassen.

Ein stopdämpfendes Gelpad mit Ausschnitt für Dukes hohen Widerrist
Ein stopdämpfendes Gelpad mit Ausschnitt für Dukes hohen Widerrist

Druck mit einem Maßsattel und einer handelsüblichen Schabracke:

Schritt: circa 5N/cm2 (= circa 500 Gramm je Quadratzentimeter Haut)
Trab: circa 8N/cm2 (= circa 800 Gramm je Quadratzentimeter Haut)

Druck mit Maßsattel + Schabracke + Lammfellpad:

Schritt: circa 2,1 N/cm2
Trab: circa 5,9 N/cm2

Das Lammfell-Pad unter oder über der Schabracke? “Neben der polsternden Wirkung fördert Lammfell die Durchblutung, absorbiert den Schweiß, sodass der Pferderücken angenehm trocken bleibt, vermindert Druck, Scheuerstellen und Schwerkräfte.” Darum rät Johanna Christ des TraditionsHerstellers “Christ Lammfelle”, die Produkte direkt auf der Pferdehaut zu verwenden.

Druck mit Maßsattel + Schabracke + Gelpad (mit Lüftungslöchern):

Schritt: circa 1,5 N/cm2
Trab: circa 2,5 N/cm2

Druck mit Maßsattel + Schabracke + Memoryfoam-Pad:

Schritt: circa 1,4 N/cm2
Trab: circa 4,2 N/cm2

Achtung! Viele Sattelpads verkleinern die Kammerweite am Widerrist: Ein Umstand, der in der Umbauphase sehr bewusst genutzt werden kann. Vor allem einige Lammfell-Pad-Modelle bieten ergänzende Kammern, die mit Filz- oder Moosgummi-Scheiben gefüllt werden können, um die Sattellage noch weiter zu beeinflussen.

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Satteldecken: Schmutzfang und Wohlfühlklima

Die Auswahl an Sattelunterlagen am Markt ist nahezu grenzenlos. Unter einen maßgeschneiderten Sattel sollte möglichst wenig Material gelegt werden, um die Passform nicht negativ zu beeinflussen. Die primäre Funktion einer Satteldecke ist, den Sattel vor Schweiß und Schmutz zu schützen. Dabei muss sie gleichmäßig auf dem Pferderücken liegen, darf nicht scheuern oder Falten werfen. Zudem sollte sie Schweiß aufnehmen und Körperwärme nach außen weitergeben: Damit der Pferderücken
trocken und gut klimatisiert bleibt. Das Online-Tiermagazin petmeister hat beim Schabrackentest 2020 (HIER geht es zum Test) diverse Materialien auf den Prüfstand gestellt:

Schabracken aus Lammfell: Vorteile & Nachteile

  • + Stoß- & Schweißabsorbierend
  • + Gleicht Unebenheiten aus & vermindert Druck-/Scheuerstellen
  • + Atmungsaktiv
  • + Durchblutungsfördernd
  • + Reduziert Scherkräfte
  • – Vergleichsweise aufwändige Pflege

Schabracken aus Wollfilz: Vorteile & Nachteile

  • + Einfache Handhabung
  • + Pflegeleicht
  • + Formstabil & anpassungsfähig
  • – Nicht waschbar
  • – Relativ schwer, vor allem bei Nässe
  • – Raues Material

Schabracken aus Baumwolle: Vorteile & Nachteile

  • + Preisgünstig
  • + Langlebig
  • + Pflegeleicht
  • – Kann ausbleichen
  • – Kann an der Gurtlage aufscheuern

Schabracken aus Polyester: Vorteile & Nachteile

  • + Einfache Reinigung
  • + Vielfältige Farbgebung
  • – Nicht Atmungsaktiv
  • – Starke Schweißbildung

Eine beliebte Lösung in Rennsport sowie auch in der Vielseitigkeit sind die sogenannten “Polypads”: Eine pflegeleichte Mischung aus Baumwolle und Polyester. Die Hersteller der britischen, sehr gradlinig geschnittenen Sattelpads werben mit einer optimalen Verteilung des Reitergewichts auf dem Pferderücken. Zudem lässt sich das Polypad bei einem Vollbaumsattel gut kammern und gewährleistet eine angenehme Luftzirkulation, vor allem an der Wirbelsäule.

Eine persönliche Randnotiz: Mit großem Interesse verfolge ich gerade das Body Move Pad, eine Sattelunterlage, bei der Materialien aus dem Krankenbett-Bau verwendet werden, um das Reitergewicht optimal zu verteilen. Hersteller Horst Becker wirbt damit, dass das Material Passprobleme zwischen Reiter und Pferd weitestgehend ausgleichen kann. Eine Lösung für Vollblüter, die in der Umschulung zum Reitpferd massiv Muskulatur umbauen?

Meine persönlichen Präferenzen? Equipment für Problempferd Duke

Das Zufüttern von Protein hat Dukes Sattellage in 6 Wochen massiv verändert
Das Zufüttern von Protein hat Dukes Sattellage in 6 Wochen massiv verändert

Mein Fuchs Duke verließ den Rennstall 4-jährig wegen eines Wachstumsschub und wurde im letzten Jahr zum Reit- bzw. zum Vielseitigkeitspferd umgeschult. Heißt, er wuchs im wahrsten Sinne des Wortes in alle Richtungen: Ein Alptraum bei der Sattelwahl. 175 cm groß. Mit einer 140er Rückenlänge verhältnismäßig kurz. Dünne, empfindliche Fuchshaut. Eine stark geschwungene Oberlinie, auf der gerade geschnittene Satteldecken (wie die eingangs erwähnten Polypads) allzu leicht Falten werfen und scheuern. Und ein massiver Umbau an Muskulatur. Öhm …

Alleine die Sattelwahl war mehr als schwierig: Mehrere Sattler teilten mir mit, dass die aktuellen Sattelmodelle “Von der Stange” nicht auf mein Pferd passten und ich eine Maßanfertigung beauftragen sollte. Gleichzeitig gaben sie zu, dass ein teurer Maßsattel in der aktuellen Veränderungsphase wenig Sinn macht. Der 3. herbeibestellte Sattel-Experte hatte dann etwas Passendes: Einen neuen Leder-Springsattel der tschechischen Sattlerei Kentaur der den kurzen Rücken meines Vollbluts ebenso abdeckte, wie meine langen Beine. Die Wollkissen kann der Sattler tadellos an mein wachsendes Pferd anpassen. Einen vernünftig sitzenden Dressursattel zu einem humanen Preis habe ich leider noch nicht gefunden: Aktuell bin ich schlicht und einfach nicht gewillt, für 5.000€ und mehr einen Sattel anzuschaffen, den ich ggf. In wenigen Monaten nicht mehr nutzen kann.

Beim Aufbautraining nach der Operation nutze ich besonders viel Lammfell
Beim Aufbautraining nach der Operation nutze ich besonders viel Lammfell

Die Wahl der Schabracken war bzw. ist nicht ganz leicht. Duke kann nur Schabracken mit extra hoher Widerristfreiheit tragen. Das Material darf nicht scheuern und muss Luft ans Pferd lassen sowie Feuchtigkeit vom Pferderücken weg transportieren: Ansonsten wird er schnell steif und wund (an Polyester-Zierborten oder gar Teddy-Fleece ist nicht zu denken). Aktuell arbeite ich mit Baumwolle und/oder Lammfell: Qualität macht sich bezahlt. Bei jungen, nicht optimal ausbalancierten Pferden nutze ich zudem ein stoßfederndes Sattelpad. Nach langer Suche fiel die Wahl auf ein widerristfreies Gel-Gummi-Gemisch des italienischen Herstellers Acavallo, das einerseits mehr Luft zwischen Widerrist und Sattelbaum bringt und andererseits ungeplante Holperer beim Reiten abfedert.

Zu Weihnachten bekommt Duke noch einen baumlosen Lammfell-Sattel für gemütliche Ausritte. Nur so zum Wohlfühlen.

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Janina Beckmann
Janina Beckmannhttps://www.expertenmarketing-muenchen.de/
Unsere Autorin Janina Beckmann war lange Jahre als Sportjournalistin und später als PR Beraterin tätig, ehe sie eine eigene PR Agentur in München gründete. Ihre Leidenschaft für Vollblutpferde führte sie über die englischen und irischen Rennbahnen auf die Galopprennbahn Riem. Heute ist sie in der Vielseitigkeit aktiv.

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