Wenn die Tage kürzer und kälter werden, beginnt auf den Trainingsbahnen die Zeit der “Babys”. Die Trainer haben auf den Auktionen fleißig Nachwuchs eingekauft, der nun auf den Führmaschinen an Sattelzeug und Reitergewicht gewöhnt wird. Es dauert nicht lange und die Kleinen folgen erstmals im Entenmarsch einem erfahrenen Führpferd in die freie Wildbahn.
Im Reitsport ist der Winter Lehrgangszeit. Wenn das letzte Reitturnier vorbei ist, haben die aktiv reitenden Profis wieder Zeit, ihr Wissen an den Nachwuchs weiterzugeben. Besonders wenn die Reitvereine einen führenden Namen der deutschen Reiter-Ranglisten (Dressur, Springen, Vielseitigkeit) einladen, geht die Schlacht um Startplätze schon Wochen vorher los.
Einen dieser Profis verschlug es vergangene Woche ins Münchner Umland (genauer gesagt ans Gestüt Großschwaig am Irschenberg): Andreas Ostholt. Der Hauptfeldwebel und Diplomtrainer leitet den Bereich Reitsport an der Sporthochschule der Bundeswehr und steht derzeit auf Platz 5 der Deutschen Vielseitigkeits-Rangliste.
Den diesjährigen Start bei der Europameisterschaft musste er zwar kurzfristig absagen, weil seine elfjährige Stute Corvette nicht gänzlich fit war. Doch gehört er schon seit Jahren zu den stärksten “Buschreitern” in Deutschland; Tendenz steigend. Eine Wahnsinns-Chance für Duke und mich, von einem Profi dieses Kalibers zu lernen.
Duke wird zum Pendler: Ein Wochenende auf dem Gestüt Großschwaig
Als zivilisiertes Großstadt-Pferd musste Duke am Kurswochenende zum ersten Mal in seinem Leben pendeln. Zum Glück fährt der Kleine inzwischen sehr gerne Hänger: Anfangs war er von dem Downgrade vom luxuriösen Rennstall-Recke-Transporter auf einen handelsüblichen Pferdeanhänger nur bedingt begeistert. Bis er feststellte, dass im Hänger ausnahmslos jedes Mal Müsli auf ihn wartet. Inzwischen kann ich meinen fröhlich mampfenden 4-Jährigen problemlos alleine ein- und ausladen. Der Hänger ist Dukes happy Place!
Auf dem Hänger-Parkplatz des Gestüts Großschwaig kam gleich die (zumindest theoretisch) nächste Herausforderung für einen jungen Ex-Galopper: Ein zivilisiertes Reitpferd wird einfach außen am Pferdeanhänger angebunden und für den Lehrgang gesattelt. Praktisch kam mir auch hier Dukes Liebe für alles Essbare zu Gute: Er hat sich trotz dem laufenden Hofbetrieb, vorbeilaufenden Pferden und abreisenden Transportern keinen Meter von seinem Heunetz wegbewegt, während ich in aller Ruhe satteln und seine Beine in dicke Fleecebandagen einwickeln konnte. Die fremde Reithalle (20 x 40 Meter)? Die fremden Pferde? Die fremden Menschen? Duke ließ sich null beeindrucken.
An Tag eins hatte uns Andreas Ostholt noch keine festen Gelände-, sondern Stangenhindernisse aufgebaut (die leicht umfallen, wenn das Pferd dagegenstößt). Springgymnastik; also viele kleine Hindernisse und Stangen auf vielen engen Kurven. Ich hatte Duke erst einmal in der Halle gesprungen und nur über einzelne Hindernisse mit gemütlichen Galoppstrecken dazwischen.
Entsprechend war ich sehr gespannt, wie sich mein schlacksiger Riese (aktuell 4 Jahre und 175cm) bei den Geschicklichkeitsaufgaben schlägt. Schon in der Lösungsphase hatte Ostholt die ersten spannenden Tipps: Denn wie üblich “stellte” Duke den Kopf hin und marschierte mit festem Rücken los (idealerweise sollte sich ein Pferd mit aufgewölbtem Rücken in die Hand hinein dehnen und die Nasenlinie dabei kurz vor der Senkrechten tragen. Duke trägt oftmals zwar die Nase an der gewünschten Senkrechten; hat jedoch noch Schwierigkeiten, die Wirbelsäule dahinter aufzuwölben).
Während ich weiter mit dem inneren Bein in die äußere Hand trieb, riet mir Ostholt zu einer “atmenden” inneren Hand: Leicht kreisende Bewegungen, die das Pferd immer wieder einladen, an den Zügel heranzutreten. Und tatsächlich wurde Duke beim Kringeln in der mit Hindernissen vollgestellten Reitbahn unüblich schnell locker.
Unsere ersten In-and-Outs wurden etwas holprig: Doch Duke hatte schnell verstanden, dass die Füße zwischen den beiden Kreuzen nur kurz den Boden berühren dürfen. Bauch-Beine-Po-Training der Marke Buschpferd.
Doch damit nicht genug: Die Gymnastikreihe auf der 40 Meter langen Mittellinie wurde von Mal zu Mal länger. Absprungstange, landen, In- (=Kreuzchen), landen, -Out (=Kreuzchen), landen, zwei große Galoppsprünge (=Frauchen muss tüchtig treiben) und dann in Dukes allererste Kombination: Zwei Steilsprünge, zwischen denen nochmal ein Galoppsprung Platz war. Bei Versuch eins flogen Stangen. Bei Versuch zwei flog der Blüter. Und Frauchen wurde mal kurz warm, denn nach dem schwungvollen Riesensprung kam ziemlich schnell die Wand. Doch Duke hatte die Situation – wie üblich – voll im Griff. Abgestiegen. Pferd geknutscht. Braves Pony!
Arbeit muss Spaß machen. Und Essen ist super
Nach dem Training hatte uns Gestüt-Großschwaig-Pächter Christian Speck einen Paddock freigeräumt, in dem Duke durchschnaufen und sein After-Work-Belohnungsmüsli (Kräutermüsli von Josera mit einem Schuss Elektrolyte und einem Schuss Hämolytan) verdrücken durfte. Dass ein 4-Jähriger mit solch stoischer Gelassenheit auf einem wildfremden Paddock steht ist sicherlich nicht selbstverständlich. Ich persönlich war Duke aber sehr dankbar, dass ich noch ins Reiterstüberl einkehren und mit den anderen Buschkollegen einen Kaffee trinken durfte, ehe es wieder Heim ging.
An Tag 2 standen dann feste Hindernisse auf dem Programm: Wieder mal erst viele kleine Gymnastiksprünge auf vielen enge Kurven. Während die deutlich älteren Pferde in der Gruppe immer mal wieder Sprünge anschauten oder verweigerten, lief Duke mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte er zu Lebzeiten nichts anderes gemacht. Stämme, Blumenkisten und Fässer beeindrucktem ihm nicht im Geringsten.
Den allerersten höheren Sprung (95cm aus einer engen Kurve) touchierte er noch mit den Hufen (natürlich trug er dicke “Schutzkleidung”), trotzdem griff er mit drei Galoppsprüngen die folgende 105cm Holzkiste (die Höhe entspricht grob dem Niveau eines guten Ausgleich 2) und sprang dieses Mal mit reichlich Luft in die nächste scharfe Kurve. Abgestiegen. Pferd gelobt. Heimgefahren. Mehr hätte ich mir wirklich nicht wünschen können.
Die älteren Pferde durften noch einen dritten Lehrgangstag antreten: Und sich auf wirklich engen Linien an hohen, festen Hindernissen versuchen (im Busch sind die Sprünge meist schmal und ohne Randbegrenzung -> leicht zu verfehlen). Während Duke den Wellness-Tag mit seinen Kumpels auf der Koppel genoss, saß ich mit Kaffee auf der Tribüne und versuchte möglichst viel zu lernen.